Montag, 9. Juli 2012

An Tagen wie diesen ...

Nun ist es also soweit, Freitag, 6.7.2012.

Abfahrt zum 24-Stundenlauf nach Irdning. In Wien ist es seit Tagen unerträglich heiss, die Luft steht, in der Wohnung hat es beständig über 30 Grad. Schlafen ist alles andere als erholsam. Nichts hält mich also in der Stadt, ich breche bereits am Vormittag nach Irdning auf. Carola wird dann am Abend eintreffen, da sie noch auf einer Konferenz in Starnberg ist und dann mit den Zug via München nach Stainach kommt. Eine ultraliche Anreise zu einem ultralichen Lauf.

Die Fahrt nach Irdning wird zum Hitzetest, aber je näher ich Irdning komme, umso bewölkter und angenehm kühler wird es. Pünktlich zu meiner Ankunft beginnt es dann auch schon leicht zu tröpfeln. Mein Lager schlage ich heuer in der ELK-City auf. Denn es steht heuer wieder ein 24-Stunden-Megastaffel-Damenweltrekordversuch am Programm, powered by ELK. Aufgrund ihrer Verletzung kann Carola wohl weitgehend leider nur als Non-Running-Captain agieren, aber ich genieße den Vorteil, an der Infrastuktur des Teams und auch am VIP-Status des ELK-Teams partizipieren zu können. Der VIP-Status beinhaltet unter anderem die Nutzung der fix vorhandenen Campingplatz-WCs - doch angenehmer als die Mobil-Toiletten, vor allem in der Nacht und bei möglichem Schlechtwetter.

Dank des Regens und meiner frühen Ankunft ist bei der Startnummernausgabe extrem wenig los, stressfrei und mit netter Plauderei erhalte ich meine Startunterlagen sowie die Eintrittskarten zum VIP-Abend, wo Carola in meiner Vertretung, die wiederum die Vertretung meiner vielen privaten Unterstützer ist, die Ehrung für den Sponsorsieger Einzelläufer 2011 erhalten wird.

Mittlerweile regnet es etwas heftiger und ein leichtes Gewitter zieht über Irdning. Aber gut, heute darf es ruhig noch regnen. Zwar nicht ideal für die abendlichen Laufbewerbe, aber immer noch besser als während des 24-Stundenlaufs.

Ich nutze die Zeit, um einmal ordentlich meinen Elektrolytgetränkvorrat für morgen anzumischen. Wie immer der während meiner 12h-Trainingsläufe bewährte Mix von UltraSports Buffer. Acht Liter sollten einmal für die ersten mindestens 10 Stunden reichen. Nachschub wird dann Carola während des Rennens produzieren. Das Wetter hat dann auch Mitleid mit den Abendbewerben und es hört auf zu regnen. Ich bin auch mit der Energieproduktion für morgen fertig und daher steht die Streckenbesichtigung am Programm. Es ist zwar ohnehin im Wesentlichen die gleiche Strecke wie letztes Jahr, aber man weiß ja nie. Und außerdem mal schauen, wer von den Bekannten schon aller da ist.

Und so entdecke ich schon das Team von Fit in Leo mit meinem Freund Thomas und auch der LC Erdpress (wo ich 2011 Betreuung fand) baut bereits sein Zelt auf. Das Dritte in drei Jahren übrigens, weil der Wind entweder während oder nach dem Lauf (so war's letztes Jahr) zugeschlagen und das Zelt vernichtet hat. LC Erdpress ist daher gespannt, ob das Zelt dieses Jahr überleben wird. Ansonsten ist es noch recht ruhig an der Strecke.

Am Abend findet dann die Nudelparty statt, wobei die größte Herausforderung ist, das Zelt zu finden, in welcher diese stattfindet. Eine - etwas unangenehme Eigenschaft - von Irdning ist nämlich, dass die Helfer nur sehr speziell geschult sind und nicht alle wesentlichen Eckpunkte kennen. So zum Beispiel, wo denn die Nudelparty ist. Ehrliche Antwort eines Helfers: "I hob zwoa so offizielles Kartl do umhängn, aber wo die Nudelparty is woas is a net, wos bled is". So irrten wir ein wenig am Gelände herum, sahen dann aber eine Nudeln essende Gruppe und fragten, ob die Nudeln von der Pasta-Party sind. Ja, sind sie. Und wo ist die Pasta-Party? Da hinten im großen weißen Zelt. Das war natürlich super, denn dieses große weiße Zelt war mehr oder weniger direkt gegenüber der ELK-City. Wir sind also einmal das ganze Festgelände abgegangen um am Ende wieder bei der ELK-City zu sein ;-). Aber gut, Nudelparty gefunden. Die Nudeln waren ganz in Ordnung, allerdings hielt ich mich zurück, bloß nicht den Magen verwirren. Denn der Start morgen um 14h wird ohnehin belastend genug mit einem verspäteten zweiten Frühstück bzw. verfrühten Mittagessen. Nicht so richtig ideal, aber anders wird's nicht gehen.

Nach der Pastaparty zog ich mich zurück, um ein wenig Ruhe zu finden und bald schlafen zu gehen. Das war nicht ganz einfach, da das Volksfest nun anlief. Aber mit Ohropax fand ich doch recht bald ins Land der Träume, welches morgen 200km für mich bereit halten sollte.

Samstag, 7.7.2012

Der Schlaf war sehr erholsam, denn im Gegensatz zu Wien wurde es in der Nacht recht kühl und damit auch im Wohnmobil sehr angenehm. Allerdings war ich schon um 7h30 munter und konnte nicht mehr weiter schlafen. Der normale Schlafrhythmus gepaart mit der Aufregung machte sich eben bemerkbar. Aber gut, es war ohnehin noch einiges zu erledigen.

So baute ich noch meine zusätzliche Infrastruktur auf: Faltpavillon, Essensvorräte, das wichtigste Gewand für schnelles Wechseln während des Laufs, Faltstuhl, Liege. Letztere war aber eher für die Power-Damen vom ELK-Team gedacht. Auch Carola bekam noch eine Einschulung, wo ich meine Unmengen an Material (Essen, Gewand, Iso, etc.) im Wohnmobil verstreut hatte und was ich wann haben möchte oder möglicherweise haben möchte. War es in der Früh noch angenehm kühl, so kam recht bald die Sonne heraus und es begann sich rasch aufzuheizen. Aber der leicht wehende Wind machte die Temperaturen halbwegs erträglich.

Nachdem die Vorbereitungen gegen 11h erledigt waren, rastete ich noch ein wenig, begann Neuigkeiten zu bloggen und es gab Mittagessen: wie schon letztes Jahr ein Käseweckerl mit Gurkerl.

Um 12h30 ging ich dann zur Läuferbesprechung, wo es aber nicht wirklich neue Informationen gab. Danach wieder zurück in die ELK-City und langsam umziehen. Die Sonne hatte das Zelt und das Wohnmobil schon ordentlich erhitzt. Hier war jetzt der VIP-Status super, denn ich konnte mich im Sanitärbereich des Campingplatzes direkt neben der ELK-City umziehen. Ordentlich Platz und kühl. So war auch das stressfrei erledigt.

Als ich wieder ins Freie trete, treffe ich David L., der gerade versucht, einen Zeltplatz zu finden. Denn heuer finden auch die "Österreichischen Meisterschaften im 24-Stundenlauf" im Rahmen des Benefizlaufs statt. Daher finden auch die Regeln der IAU (http://www.iau-ultramarathon.org/) bzw. IAAF Anwendung, die besagen, dass die individuelle Betreuung der Athleten nur innerhalb eines gekennzeichneten Bereichs über die Länge von maximal 400m erlaubt ist. Leider funktionierte die Kommunikation zwischen Rennleitung und Camp-Platz-Vergabe nicht so richtig, sodass einige Teilnehmer an den Meisterschaften mitten im Gemüse und außerhalb der offiziellen Betreuungszone platziert wurden. Nicht gut, denn eine Betreuung außerhalb des offiziellen Bereichs führt zur Disqualifikation. So musste die Rennleitung dann gemeinsam mit den betroffenen Läufern im letzten Moment noch improvisieren um alle in der offiziellen Zone unterzubringen.

Nun war es auch schon gleich 14h, also auf zum Start und Vorstellung beim mir zugeteilten Rundenzähler. Naja, nicht ganz, denn mein Rundenzähler war noch nicht da, würde aber gleich kommen. Es war nicht einmal mehr fünf Minuten bis zum Start. Also warten kann ich jetzt eigentlich nicht. Na egal, ich werd ihn eh noch sehen in den nächsten 24 Stunden, aber vorstellen gehört halt für mich schon irgendwie dazu. Ein schlechtes Omen? Nein, glaub ich eigentlich nicht. In der Hinsicht bin ich nicht abergläubisch.

So ging es jetzt wirklich in den Startbereich und allen bekannten Gesichtern alles Gute für die nächsten 24 Stunden zu wünschen. Bis jetzt hat eigentlich alles perfekt und ohne Stress geklappt. Mein Rennen kann kommen. Ich bin bereit.

Punkt 14h fällt der Startschuss und das Feld setzt sich schnell (ganz vorne die Megastaffeln), flott (die 4er-Staffeln), schnell (die 12-Stundenläufer) bis gemächlich (die 24-Stundenläufer) in Bewegung. Auch ich trotte los, nur schön langsam. Ich gebe meine Backup-Uhr bei Carola ab und versuche auf den ersten Runden meinen Rhythmus zwischen Laufen und Gehen zu finden. Sollgehstelle ist wie immer der Hügel nach ca. 1.2km. Ansonsten suche ich mir noch einige markante Wegpunkte, um Orientierung zu haben. Schatten und Sonne spielt natürlich auch eine Rolle. Jede fünfte Runde plane ich die Gehphasen etwas zu verlängern, um dem Körper Erholung zu gönnen. Das spielt sich eigentlich gut ein, ich bin etwas, aber nicht viel schneller als mein Plan. Mein Plan? Ja, natürlich habe ich einen Plan - nicht nur einen Traum. Also Karten auf den Tisch: ich versuche 200km zu erreichen, was von meinen beiden 12-Stundenläufen her im Optimalfall möglich sein sollte. Daher wollte ich 110km in den ersten 12h anlaufen und dann im Idealfall noch 90km in den zweiten 12h. Realistisches Ziel sollten eigentlich 170km bis eher 180km sein und meine 160km vom Vorjahr zu übertreffen sollte eigentlich fast einbeinig hüpfend möglich sein. So weit die Theorie. Noch stelle ich mir das also sehr einfach vor.

Und es läuft auch sehr gut, ich finde den Rhythmus, das Lauf-Feeling wird von Stunde zu Stunde eigentlich besser. Es herrscht Superstimmung entlang der Strecke, auch weil die Megastaffeln mit toller Infrastrukur (Musikanlage, Blasmusik) sehr gut über die Strecke verteilt sind. "An Tagen wie diesen" höre ich unzählige Male an diesem Wochenende. Es ist quasi DAS Lied des Laufs. Ich kenne eigentlich an jeder Ecke jemanden, werde ständig angefeuert. Schon recht bald stellt sich allerdings ein Hungergefühl ein, früher als normal. Noch ist es aber nicht Zeit mit Iso anzufangen, also ein paar Stücke Banane essen, damit der Magen aufhört zu knurren. Es ist zwar warm, die Sonne ist heraußen, aber der Wind macht die Temperaturen sehr angenehm und auch den Gegenwind empfinde ich nicht als störend. Nur für meine Labestation ist der Wind nicht ideal, da fliegt doch immer wieder was durch die Gegend. Aber Carola sorgt immer wieder für Ordnung.

Nach 1h20 beginne ich mit der Iso-Versorgung sowie etwas später auch mit dem ersten Gel. Jetzt kommt die geballte Kraft von UltraSports. Das kenne ich, jetzt also schön vorsichtig, die Kraft genießen, aber nicht überziehen. So laufe ich also ruhig meinen Rhythmus weiter und das die nächsten Stunden.

Den ersten Höhepunkt gibt es dann nach 6h30 und ca. 61 zurückgelegten Kilometern. Ein ordentliches Gewitter zieht direkt über Irdning hinweg, bringt starken Regen und vor allem bedrohlich wirkende Blitze. Ich habe doch einigen Respekt, denn es ist ordentlich Eisen auf der Strecke vorhanden (teilweise Streckenmarkierung, Stahlgerüstbrücken über die Strecke). Kurz liebäugle ich mit einer Pause, ziehe mir Übergewand an und suche in meinem Pavillon Zuflucht. Mittlerweile ist der Regen aber nicht mehr ganz so stark, also verwerfe ich meinen Pausengedanken nach einer Minute wieder, schnappe mir einen Regenponcho und mache mich wieder auf den Weg. Die Blitze sind aber immer noch da. Aber wie's bei so einer Massenveranstaltung halt ist: solange keiner offiziell sagt "geht's von der Strecke" ist keiner vernünftig genug es von selbst zu tun. Wird schon nix passieren. Und wenn was passiert, dann hat's eh jeder gewusst. Ich kann mir nun in etwa vorstellen, wie es zum Unglück auf der Zugspitze kam. Aber auch ich bin nicht vernünftig, trotte weiter. Fahre einmal ziemlich zusammen, als ein Blitz gefolgt von Donner gefühlte 50m (es muss wohl deutlich weiter weg gewesen sein, sonst würde ich jetzt nichts mehr schreiben) neben mir einschlägt. Das war's dann aber, das Gewitter ist endlich weitergezogen. Es donnert nur mehr in der Ferne. Interessant ist auch die Improvisationskunst bei so einem Lauf. So funktionierte ein Betreuer während der Regenphase ein Mobilklo zur regengeschützten Betreuungsstation um ... mmmmh, die Verpflegung mit der besonderen Würze. Glücklicherweise nicht meine ;-)

Damit wäre das Gewitter erledigt, wir haben es nur mehr mit Regen zu tun. Aber mit Regenponcho und Schuhwechsel ist es eigentlich ein angenehm warmes und gemütliches Laufgefühl. Nicht ganz ideal, aber auch nicht wirklich schlimm.

Nach 7h30 dann überraschenderweise der erste WC-Stop. Der war eigentlich erfahrungsgemäß erst nach 10h geplant. Aber dank der Infrastrukur als ELK-VIP gemütlich am festen Camping-WC. Nun ja, fast gemütlich, denn Verena Pe. vom ELK-Damenteam hat mir zwar ganz toll schon den Schlüssel bereit gehalten, allerdings campierte im Sanitärbereich innen nun eine vor dem Regen geflüchtete Staffel. Und ganz ideal mit dem Campingsessel direkt vor zwei der drei WCs. Und am Weg zum dritten einzig betretbaren wurde gerade massiert. Ich - im fokussierten Laufmodus - war davon wenig begeistert und forderte recht vehement freies Geleit zum WC. Das bekam ich dann murrend aber doch. Auch wenn es nicht ganz verstanden wurde, warum ich denn nicht Tempelhüpfen zum ohnehin freien WC mache. Aber gut, depperter Ultraläufer halt. So kam ich aber dann doch zu meinem Recht auf ein WC.

Danach lief es wieder weiter, es wurde aber nach 8h doch etwas zäher, den geplanten Schnitt zu halten. Aber es waren ohnehin nur mehr 4h, dann durfte ich ja gemäß meines Plans langsamer werden.

Nach 9h der nächste Klo-Stop. Was ist denn heute los? Normalerweise der erste erst nach 10h und heute schon der zweite nach 9h und 1h30 nach dem ersten? Ich hatte zwar keinen Durchfall oder ein sonstiges Problem, aber die Frequenz war doch ungewöhnlich. Warum ist heute nicht alles so wie sonst? Warum gerade heute? Aber gut, ist halt so. Wenigstens nutzte ich die Zeit auch gleich zur Tempoadaption und revidierte meine Rundenzeiten etwas. Diese Zeiten waren dann auch halbwegs machbar, aber weit weg von einem wirklich erholsamen Tempo. Gar nicht gut. Zu früh für Anstrengung.

Und nach 10h, 89.3km bzw. ziemlich genau mit dem Feuerwerk um Mitternacht machte es dann nicht nur am Himmel "bumm". Schlagartig war mein Energielevel auf 0. Laufen war so anstrengend, dass ich wusste, wenn ich jetzt weiter laufe, dann ist bald endgültig Schluss und ich halte die restlichen 14 Stunden auf keinen Fall durch. Also ab in den Gehmodus, aber immer wieder Anlaufen versuchen, damit der Körper nicht komplett abriegelt. Dazu auch Cola als Rettungsmaßnahme. Bringt nur leider alles nichts. Ich bin auch extremst müde, will nur mehr schlafen, schlafen, schlafen. Dieses Gefühl hatte bisher nicht um Mitternacht sondern frühestens um 2h oder 3h in der Früh - und da auch nicht so heftig. Irgendwas passt da heute gar nicht.

Ich habe also 10h hinter mir, noch 14h vor mir, und absolut nicht das Gefühl, dass ich heute/morgen noch irgendwie ins Laufen kommen könnte. Und 14h nur mehr Gehen - Horror. Ich bin ja ziemlich deppert im Schädel (sonst würde ich wohl gar nicht an den Start gehen - sagen zumindest immer wieder Leute zu mir :-D), aber das pack' ich nicht. Meine Ziele von weiter oben kann ich sowieso vergessen. Eigentlich will ich aufgeben. Aber ich habe mich so um private Sponsoren bemüht, die auch meinem Aufruf begeistert gefolgt sind, sich viele Kilometer von mir erwarten, damit Geld für den guten Zweck hereinkommt. Ich kann also nicht nach 89km die Segel streichen. Ich muss weiter. Es geht hier nicht um mich, es geht um Leute, die leiden und zwar nicht freiwillig, weil sie sich einen 24-Stundenlauf antun, sondern weil sie nicht anders können! Und gehen kann ich ja noch. Es macht zwar keinen Spass, aber es geht. Es schadet mir nicht, es ist halt einfach fad. Und ich verfehle meine Ziele.

Ich trotte also weiter. Immer wieder versuche ich Anzulaufen, hat sich der Körper wieder erholt? Nein, hat er leider nicht. Im Gegenteil. Plötzlich fangen die Ansätze der Achillessehne wieder zu zwicken an. Genau die Verletzung, welche mich schon im Frühjahr einige Wochen aufs Ergometer verbannt hatte und die jetzt ein intensives Tempotraining immer noch verhindert. Aber beim Ultralaufen war es die letzten Monate eigentlich kein Problem. Und ausgerechnet heute meldet sich die Sehne wieder. Muss denn das sein? Jetzt war also auch mit Anlaufen nix mehr, weil bei aller Liebe zum Benefizgedanken, einen wochenlangen Kampf mit einer schmerzenden Sehne will ich wirklich nicht. Also Laufverbot, Gehen geht noch halbwegs, Schmerzen sind da, aber nur Gehen sollte keinen schlimmen Schaden anrichten. Mit 10 Minuten am Kilometer gehe ich auch einigermaßen flott, es geht halbwegs was weiter. Spannend ist es nicht.

Aber nach 12h sind doch auch so 100km absolviert. Wenn ich so weitergehe sind immerhin noch 160km möglich und ich könnte sogar eine neue Bestleistung erreichen. Das ist wenigstens halbwegs motivierend. Nicht das, was ich erwartet habe, aber angesichts der Umstände doch ganz okay.

Nach 14h ist dann allerdings flottes Gehen auch nicht mehr möglich. Meine Beine sind steif, meine Sehne schmerzt jetzt doch etwas mehr, ich kann nur mehr Spazierengehen bzw. mich mit fast 13min/km über die Strecke schleppen. So halt ich das wirklich nicht mehr aus im Kopf. Höre ich jetzt wirklich auf?

Ich gebe mir noch eine letzte Chance, gehe zur Massage. Das ist zwar angenehm, lockert die Muskeln ein wenig, bringt aber auch kein Gehtempo zurück. Weiterhin 13min/km und langsamer. Ich wechsle die Schuhe. Auch ohne Erfolg. Mittlerweile ist mir auch kalt. Ich nehme eine Suppe zum Aufwärmen ... brrrrr, damit wäre auch mein Salzvorrat für die nächste Woche gedeckt. B'soffene sind auf der Strecke, spielen sich mit der Erfrischungsdusche. Ich habe Angst nass zu werden, mir ist ohnehin schon saukalt. Sie finden's lustig, lallen mir irgendwas zu von "nachher wird's eh auch wieder kalt", erwischen mich aber glücklicherweise nicht. Vollidioten! Aber nächste Runde sind sie wenigstens verschwunden.

Nach 15h30 und 117.7km: Ich kann nicht mehr, es hat keinen Sinn mehr. Es reicht mir. Ich will nicht mehr. Das wird heute einfach nix mehr. Meine Hände sind von Salz, Iso, Wasser, Schweiss aufgesprungen und teilweise leicht blutig als ob ich mich geschnitten hätte. Etwas angreifen tut weh. Gedanken der Verzweiflung. Die ganze Schinderei im Training umsonst, die durchtrainierten Wochenenden vergeudet. Der Tag X ist versemmelt. Aber der Körper tut einfach nicht mehr ...

ICH GEBE AUF. Ende der Veranstaltung, das war's! (Anmerkung: weiterlesen lohnt sich hoffentlich trotzdem ;-)

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Ich rolle mich in eine Decke ein, setze mich an die Strecke und feuere die Kollegen an, die sich noch auf der Strecke befinden - auch schon viele gezeichnet. Aber wenn ich schon nicht mehr kann, dann versuche ich wenigstens den anderen Energie zu geben.

Dann gehe ich heiß duschen - herrlich. Ich bin etwa eine halbe Stunde im Wasser. Ich fühle mich wieder als Mensch. Ich bekomme Hunger. Da habe ich doch die letzten 16h permanent einen Stand mit "Pizzeria"-Banner gesehen. Ja, das wär jetzt was. Eine Pizza um 6h morgens. Der Stand ist 300m von der ELK-City entfernt, liegt direkt an der Strecke. Hmmmmmm, so eilig hab ich's eigentlich nicht, anfeuern kann ich auf der Strecke auch.

Also montiere ich mir nach 16h45 wieder meinen Chip und mache mich auf zu einem Spaziergang ... und zwar in Laufrichtung. Weil dann habe ich bzw. meine Sponsoren wieder eine Runde mehr. Ich bin genauso langsam wie vorher, aber jetzt ist das in Ordnung. Weil jetzt *will* ich spazierengehen. So komme ich zum Pizza-Stand. Nur hat der leider keine Pizza. Mist, mein Kopf - schon leicht hinüber - war eh schon lange genug mit der Entscheidung für Pizza beschäftigt. Was jetzt? Ich sehe ein Kind mit Langos. Ah, Langos. Auge an Mund: ich will Langos. Und schon hatte ich ein Langos bestellt. Während das Langos im Fett bruzelt erzählt mir die Standlerin, dass sie seit gestern 8h morgens durchgehend im Einsatz ist. Ui, das Öl dann wohl auch ... was hab ich denn da getan, aber jetzt kann ich auch nicht sagen, nein, ich will das Langos nicht. Also freu' ich mich auf mein Langos ;-) und gehe zurück auf die Strecke.

Mit meinem Langos bin ich die Attraktion. Hatte bisher noch kein Teilnehmer als Verpflegung. Einige wundern sich, dass mein Magen das aushält. Na gut, ich bin ja auch nicht mehr leistungsorientiert unterwegs sondern Spass-"Läufer". Aber während des Langosverzehrs hab ich wieder eine Runde mehr erledigt.

Und so spaziere ich weiter und weiter. Das gute an Irdning: man kennt sich. Ich habe Spass daran, die anderen anzufeuern, mache den Fan auf der Strecke. Ich unterhalte mich mit Georg M., dem Sieger des Vorjahrs. Er jammert schon ziemlich, sieht aber eigentlich gar nicht so schlecht aus. Plötzlich wird ihm allerdings kalt, er erhält von seiner Betreuerin noch Schal und Jacke, kippt dabei aber fast um. Ich stütze ihn ein wenig. 100m später ist glücklicherweise die Sanitätsstation und die Sanitäter schlagen ihm vor, ob er sich nicht ausrasten möchte. Allerdings so bestimmt, dass es ohnehin keine Widerrede gibt. Georg muss dann leider den Lauf beenden. Ich fühle mit ihm, hätte ihm so sehr ein gutes Ergebnis vergönnt. Wie ich überhaupt sehr vielen einen Stockerlplatz gewunschen hätte. Echt blöd, dass es nur drei davon gibt.

Allgemein schaut es auf der Strecke nicht mehr gut aus. Außenstehende müssen sich wirklich denken, dass es sich hier um eine Freak-Show handelt. Einige Läufer mit extrem schiefer Haltung, ein unfreiwilliger Rückwärtsläufer, der sein Knie nicht mehr abwinkeln kann und daher rückwärts schneller ist als vorwärts, leicht apathische Läufer sind sowieso Standard. Ich hingegen bekomme Komplimente, wie frisch ich noch aussehe. Na, kein Wunder nach der Duschpause und als Spaziergänger.

Nach 19h und immerhin wieder 10km mehr als bei meiner Aufgabe brauche ich doch wieder eine Pause. Also rein in meinem Sessel (bin total begeistert, daher hier etwas Werbung: http://www.mehari-offroad.de/shop/article_05.20300/Regie---Faltstuhl-Frontrunner-Expander.html?shop_param=cid%3D1%26aid%3D05.20300%26) und wieder von außen Anfeuern.

Nach ca. 20 Minuten geht's wieder weiter und es kommt zu einem Rettungseinsatz. Die Siegerin des Vorjahres, Pauline M., hat nach 162km Kreislaufprobleme. Aber glücklicherweise erholt sie sich rasch, muss aber auch das Rennen beenden.

Nach 8km und damit immerhin schon 136km brauche ich wieder eine Pause. Die Wolken sind mittlerweile weg, die Sonne heraußen, es wird knusprig. Zwar nicht richtig heiß, aber unangenehm genug. Auch für mich, da ich ja so schön geduscht bin und mich nicht mehr mit den üblichen Kühlmethoden "Wasser über den Kopf" und "Wasser überall sonst hin" einsauen möchte ;-)

Aber ich tu wieder weiter. Allerdings schön langsam, mache einige Pausen im Schatten, setze mich hier und da an die Strecke.

Nach 22h30 bin ich wieder mal über der Zeitnehmungsmatte. Perfekt. Jetzt kann ich noch zwei volle Runden spazieren und eine Letzte dann noch zum Teil als Ehrenrunde mit dem ELK-Team. Ich erkundige mich bei Carola, wann denn die Ehrenrunde von ELK gestartet wird. Es wird aber keine geben, da es mit dem Weltrekordversuch recht knapp ist und es auf jeden Meter ankommt. Letztlich haben sie es geschafft und eine neue Rekordmarke erreicht. Bravo und herzliche Gratulation!

Nach 23h bin ich wieder über der Matte. Super. Es gehen sich also noch zwei volle Runden und eine Rückkehr zur ELK-City aus. Die vorletzte Runde mache ich jetzt etwas schneller - plötzlich geht das sogar -, weil dann kann ich auf der letzten Runde noch mit allen Bekannten der letzten 24 Stunden ein wenig tratschen.

23h22: Beginn der letzten Runde. Bedanken, Abklatschen, Plaudern. Allen voran beim LC Erdpress, wo ich - wie schon die letzten Stunden, aber da habe ich noch abgelehnt ;-) - auf ein kühles, erfrischendes Bier eingeladen werde. Herrrrrlich schmeckt das jetzt. DANKE!

23h54: ein letztes Mal über die Matte und weiter zur ELK-City.

23h57: ich schnappe mir meinen Stuhl, mache die Beine lang und genieße den Rest vom Bier.

146.31km sind doch zusammengekommen. Immerhin fast 30km mehr als zum Zeitpunkt meiner Aufgabe und 57km mehr als zum Zeitpunkt, wo ich ohne Sponsorenunterstützung die Segel gestrichen hätte.

Und weil ich von meinen Sponsoren spreche: vielen, vielen Dank für die EUR 1.495,81 die Euch meine Leistung für den guten Zweck wert ist! Bravo! Ihr habt mich angetrieben und es schmerzt aufrichtig, nicht mehr Kilometer herausgeholt zu haben. Unglaublicherweise wurde ich mit dieser Leistung auch Altersklassen-Dritter. Es war wohl wirklich bei vielen ziemlich der Wurm drin heuer.

Danke auch allen, die mich an der Strecke aufgerichtet haben (in beliebiger Reihenfolge, alle waren ungemein wichtig): das ELK-Damenweltrekord-Team, LC Erdpress, Georg und das Team von dertriathlon.com, das Team Lilek, Helmut S., das Admonter Running Team, die unglaublichen Rassler nach 300m, Fit in Leo, Freunde des Laufsports, Team Donautal, die Kuhglockenschwingerinnen, Team "Rüstige Handklatschen", Hubert & Bernadette, all die Helfer bei den Laben, die Streckenposten, Sanis & Ärzte (braucht man hoffentlich nicht, aber immer gut zu wissen, dass sie da sind), dem Massageteam, der Rennleitung rund um Toni Wippel und all die sonstigen begeisterten Gesichter entlang der Laufstrecke!

Fazit: es war ein sehr seltsames Rennen, auch viele echt gute Läufer sind eingegangen oder hatten Probleme und mussten teilweise früh aussteigen. Kaum einem Läufer ging es gut, obwohl ich die Bedingungen eigentlich nicht als so hart empfunden habe. Auch die Stimmung fand ich heuer - speziell auch in der Nacht - besser als letztes Jahr. Es war immer was los, nie fad. Die Infrastruktur für die Läufercamps ist sehr gut, nur die Labe für einen Lauf dieser Größenordnung in meinen Augen bescheiden. Die Suppe habe ich erwähnt, die Nudeln waren etwas geschmacklos, was den Ultragaumen wenig erfreut als Abwechslung zum Iso. Hier war die Auswahl in Vogau wesentlich besser, wo man nicht selbst für Soletti oder Salzbrezel sorgen musste. Gut, mittlerweile kenne ich Irdning, ein wenig verwundert es mich aber trotzdem. Weil so viel Aufwand wäre es ja nicht. Ansonsten hat bei mir wie beschrieben nichts geklappt wie sonst und ich stelle mir ernsthaft die Frage, war es das mit dem 24h-Laufen für mich? Bin ich zu blöd dafür? Warum hat es nicht funktioniert? Was habe ich falsch gemacht? Ich mache alles gleich wie bei den 12-Stundenläufen, Tempo sogar etwas geringer, vielleicht etwas zu hoch, aber doch nicht so ein Fehler für dieses Desaster schon nach 10h. Sollen aller guten (??) Dinge drei sein und war das mein letzter 24-Stundenlauf? Mal abwarten, die Zukunft wird es weisen. Wobei: mit der Leistung abtreten - hm, das wird's hoffentlich auch nicht sein.

Und als Grande Finale haben wir dann noch auf der Heimfahrt einen Steinschlag mit gesprungener Frontscheibe erhalten. Ein ziemlich schief gelaufenes Wochenende geht zu Ende.

Und oft habe ich mir die letzten Stunden beim Lauf gedacht: An Tagen wie diesen ... ist nichts wie's soll sein, An Tagen wie diesen ...  wünsch ich mir, es sei endlich vorbei.

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