Montag, 11. Dezember 2017

Ultratraining in Bad Leonfelden - es geht wieder los!

Knapp drei Wochen nach dem Valencia-Marathon und Regeneration geht es wieder los mit dem Ultratraining. Denn im Mai 2018 möchte ich wieder viele Kilometer und damit Spenden für den Verein sowieso! Kunstworkshops für Kinder mit Behinderung erlaufen. Wo und wie genau muss ich allerdings erst überlegen, weil mein Plan mit dem 48-Stundenlauf in Gols nicht klappt, da der Lauf heuer nicht stattfindet. Wie auch immer, mir wird schon eine Alternative einfallen und ich hoffe wieder auf viele Spender, damit sich der Erfolg von 2017 mit fast EUR 9.500,- an Spenden wiederholt. Dazu sollte ich wo auch immer natürlich wieder viele Kilometer erlaufen und um das zu schaffen, hilft am besten Training. So ungefähr 3.100km sieht mein Trainingsplan für die nächsten 5 Monate vor. Ein bisschen Abwechslung bei den Laufstrecken und -revieren wird da nicht schaden.

Was gibt es also idealeres für den Einstieg, als von Michael Faßbender, Direktor des Falkensteiner Hotel & Spa Bad Leonfelden****, zum Streckentesten ins Mühlviertel eingeladen zu werden? Okay, der Termin im Dezember ist vielleicht nicht ganz ideal, aber da bin ich selber schuld, weil früher im Herbst keine Zeit war. Aber zum Trainingsbeginn geht es ohnehin einfach nur darum, den Körper wieder ans längere und gemütlichere Laufen zu gewöhnen.

Bei unserer Ankunft am Freitag erwartete uns die schönste Winterlandschaft - in der Stadt mag ich Schnee ja gar nicht, aber in Verbindung mit herrlicher Natur und interessanten Laufstrecken ist das etwas anderes. So um die 100km in Summe hatte ich mir für Freitag bis Sonntag vorgenommen, um wenigstens einen Teil des ausgedehnten Netzes an Wander-, Nordic-Walking- und natürlich Laufstrecken kennenzulernen. Denn Bad Leonfelden ist eine wirkliche Aktivregion, wobei das Wellnessen natürlich auch nicht zu kurz kommt. Ein bisschen Naturerlebnis geht sich aber für jeden aus, weil von kurzer bis langer Strecke (inklusive heute ganz einfachem Grenzübertritt wo früher der eiserne Vorhang war - ich mag das vereinte Europa!) sowie eher flach oder rauf auf über 1100 Meter alles angeboten wird. Man hat die "Qual" der Wahl.

So entschied ich mich am Freitag zunächst für zwei Strecken, die gut miteinander kombinierbar waren. Die Miesenwaldrunde und anschließend die Sternsteinrunde mit dem höchsten Punkt, der Sternsteinwarte (leider im Winter geschlossen) auf 1.125 Meter Höhe. Wunderbar war das, schön ruhig, gute Luft, und auch das abendlich geplante Stabi-Training absolvierte ich dank einiger tieferer Schneeverwehungen gleich während des Laufs. Je höher es dann Richtung Sternsteinwarte ging, umso mehr wurde der Schnee. Glücklicherweise ist diese Strecke auch ein Paradies für Schneeschuhwanderer, die mir eine feine feste Piste zum Laufen präparierten. So ging's ganz gut steil bergauf. Wunderschön war es - Schnee, Wald und Laufen, Herz was willst Du mehr? Runter war's dann auch lustig durch Pulverschnee, am liebsten hätte ich einen Purzelbaum geschlagen, aber besser nicht. Weil neben der motorisch-koordinativen Herausforderung, wäre es vor allem so schneenass dann doch eher kühl geworden. Nach diesem herrlichen Einstieg war ich auf Samstag gespannt und nach einem Saunagang zum Aufwärmen wurden die Speicher beim ausgiebigen Abendessen sowie am nächsten Morgen beim Frühstück gefüllt. 

Samstag dann die "Königsstrecke" des Wochenendes, die Salzstraße mit knapp 1.000 Höhenmetern und einem ausgedehnten Besuch in Tschechien. Carola wanderte schon etwas mehr als eine Stunde vor mir los (sie regeneriert noch etwas braver als ich vom Marathon), was dann für mich angenehm war, da ich im ansonsten unberührten Schnee einfach nur ihren Spuren folgen musste. Nach 15km hatte ich sie eingeholt und wir wanderten einige Kilometer gemeinsam bis mir dann leider - weil gewandmäßig auf Laufen ausgerichtet - zu kalt wurde. So trabte ich vorne weg. Steigung rauf, Steigung runter und dann ging es irgendwann auch wieder zurück Richtung Österreich. Nachdem die Sonne schön langsam am Untergehen war und auch der Wind massiv wehte, wurde es die letzten Kilometer ordentlich frisch. Statt Sauna wollte ich mich aber heute aktiv aufwärmen und hängte dazu noch 5 Kilometer am Laufband im Fitnessraum an - mit Blick auf das Mühlviertel und die durch den Wind aufgewirbelten Schneehosen, die mir aber jetzt nichts mehr anhaben konnten. Danach wieder Speicher auffüllen beim vorzüglichen Abendessen.

Der Sonntag startete mit strahlendem Sonnenschein und eigentlich war ich vom samstäglichen Abendessen noch gut gefüllt, konnte aber dem Frühstücksbüffet doch nicht widerstehen. Resultat: ich brach erst recht spät am Vormittag zum Laufen auf. Zunächst auf der Weinzierl-Runde noch mit Sonnenschein, der sich auf der Brunnwaldrunde dann immer mehr hinter den Wolken versteckte.

So sah ich die Berge im Panorama nur mehr leicht von der Sonne in eine Art Feuer getaucht, was wohl auf den Fotos nur schwer zu erkennen ist. Aber trotzdem wieder eine wunderschöne, sehr kurzweilige Strecke, bergauf, bergab über die Hügel des Mühlviertler Hochlands. Auf den letzten Metern Richtung Hauptplatz von Bad Leonfelden sprach mich dann ein spazierendes Paar an, ob ich denn jetzt so etwa drei Stunden gelaufen wäre. Hm, ja, das kommt hin, aber woher wissen Sie das? Na, wir sind uns schon vor 3 Stunden begegnet. Ahja, stimmt, jetzt kommen sie mir auch bekannt vor. Also Respekt solange zu laufen. Danke, aber ein bisschen Bewegung muss halt sein, sonst werde ich unrund .

Der Wiedereinstieg ins Ultratraining ist gelungen, was aber bei den herrlichen Laufstrecken auch nicht schwierig war, da hat es echt Spaß gemacht. Und es gibt noch so viele weitere Strecken rund um Bad Leonfelden, die ich alle nicht kennengelernt habe, und auch der Nationalpark Sumava sowie der Lipnostausee liegen praktisch ums Eck. Aber nur 2,5 Stunden Fahrzeit von Wien entfernt ist das Falkensteiner Hotel & Spa Bad Leonfelden**** nicht aus der Welt und so bin ich mir sicher, auch die weiteren Strecken noch kennenzulernen. Danke an Michael Faßbender und sein Team für ein wunderbares Wochenende!

Und hier noch einige weitere Impressionen vom Wochenende ...


















Samstag, 2. Dezember 2017

Valencia Marathon 2017

Bericht vom Valencia-Marathon: wo soll ich anfangen? Naja, vielleicht 2013 (das wird eine lange vierjährige Chronik :-)). Damals waren Carola und ich beim Valencia-Marathon angemeldet. Vor Ort waren wir, aber ich habe es mit starkem Husten und dann auch noch einer Rippenprellung dank Nahkampf mit einer U-Bahn-Sperre bei der Fahrt in die Stadt nicht einmal an die Startlinie geschafft, Carola lief zwar und sogar irgendwie bis ins Ziel - allerdings mit einem Ermüdungsbruch im Wadenbein. Aber Erinnerungen hatten wir trotzdem nur gute an Valencia: tolle Stimmung, schnelle, weil flache Strecke, gute Infrastruktur (Hotel 5 Minuten vom Start entfernt), perfekte Organisation, angenehmes Klima.

Für mich bot sich nach der Ultrasaison bis Mitte Juni und der Lust, den Ultraschlapfschritt wieder etwas zu dynamisieren ein möglichst später Herbstmarathon an, um erholt ab August eine vom zeitlichen Umfang her ordentliche Vorbereitung absolvieren zu können.

Nachdem die italienischen Klassiker wie z.B. Florenz alle nicht gerade als so leicht gelten und die Wetterunsicherheit größer ist, fiel also die Wahl auf Valencia. Halbwegs leist- und zeitmäßig brauchbare Flugverbindungen von Wien nach Valencia fanden wir nicht, aber einen sehr guten Direktflug nach Madrid. Auch nicht schlecht, Carola liegt mir ohnehin seit Jahren mit dem Wunsch in den Ohren, einen Madrid-Urlaub zu machen. Bisher hatte das als "Nur-Urlaub" nicht so wirklich den Reiz für mich, aber mit einem Marathon in Verbindung wäre das schon was. Und um es vorwegzunehmen: die anschließende Woche Madrid-Urlaub war wirklich sehr, sehr schön und interessant - aber das soll ja ein Lauf- und kein "So war der Urlaub in Madrid"-Bericht werden.

Von August bis November lief somit das Marathon-Training mit Trainer Adi H., der mich schon zu meiner bisherigen Marathon-Bestzeit von 3:03:31 (Mailand 2013) gebracht hatte. In diese zeitliche Region wollte ich wieder hin, oder auch etwas schneller, je nachdem, was die Ultrahaxn noch so können. Die ersten flotteren Einheiten waren zäh, richtige Spritzigkeit war keine mehr vorhanden, aber im Laufe der Wochen wurde es besser und die Trainingseinheiten forderten mich, aber überforderten mich nicht. Mein Schritt wurde wieder etwas dynamischer durch Wiederholungen von kurzen 1-2 Minuten-Abschnitten mit hohem Tempo gefolgt von "normalen" Abschnitten. Dazu noch das Üben des Marathon-Tempos mit Einheiten von z.B. 4x5km Marathon-Tempo mit jeweils 1km "lockeres Tempo" (ca. 4:50min/km). So entwickelte sich langsam die Form, sub3h war zwar außer Reichweite, dazu hatte der Ultraläufer leider zu wenig Tempohärte als Basis mitgebracht, aber so in der Gegend 3h02 bis 3h03 sollte sich ausgehen können.

Mit der Vorgabe, den Marathon in 4:20min/km (oder auch leicht langsamer) anzulaufen und dieses Tempo bis Kilometer 30 zu halten und dann zu schauen, was noch drinnen ist, ging es Freitag von Wien nach Madrid und mit dem Mietauto weiter nach Valencia. Ankunft gegen 19h30 bei angenehm warmen Temperaturen. Gleich rein in die Laufschuhe und noch 45 Minuten locker Traben. Das ging sich perfekt aus, um am Strand von Valencia das Mittelmeer zu besuchen und auch die dortige Prater-Hauptallee zu entdecken, wo es sogar 100m-Markierungen gab. Für mich als Zahlenfan natürlich super, da könnte ich am Samstag noch kurz das Marathontempo exakt üben.

Carola holte netterweise währenddessen unsere Startnummern ab - klappte alles hervorragend und sie kam neben den Startnummern auch mit prall gefüllten Startersackerln zurück.

Samstag vormittag bisschen rumspazieren und den Sonnenschein bei ca. 20°C genießen, nochmals ein kurzer Abschlusslauf ans Meer und dann ging es zur Paella-Party. Dort war zwar zunächst eine ziemlich lange Schlange, aber die Abfertigung ging sehr rasch, das Warten bei angenehm warmen Temperaturen war aber auch nett (Marathongewurle überall) und so gab es auch recht bald eine gute valencianische Paella (plus Orange, Weckerl und Radler). Dann nur mehr Beine hochlagern und auf Sonntag mental vorbereiten.

So hatte ich mir vorgenommen, den Marathon zu genießen und möglichst mit einem Lächeln zu absolvieren. Weil schließlich sage ich ja selbst oft genug Mitläufern, die gerade etwas am kämpfen sind, "Lächeln, dann geht's leichter" und Maria H. (befit-befast.at) hatte da auch vor einigen Wochen auf einen Artikel verlinkt (Original-Paper hier), der dies auch wissenschaftlich untersuchte. Also "Enjoy!". Nachdem ich gefühlt während des Laufs alle 30 Sekunden auf die Uhr schauen werde, sollte der Freund immer präsent sein :-)

Dann war da auch noch Lauffreund Helge R., der sich begeistert von einem Ausflug zeigte, wenn Carola & ich denn die Boston-Marathon-Qualifikationszeiten für 2019 erlaufen könnten. Bei Carola mit 3h45 keine so große Sache (wenn sie denn unverletzt ins Ziel kommt), bei mir mit 3h15 wohl auch schaffbar, aber zumindest als Motivation, falls so gar nix Richtung Bestleistung laufen würde sehr brauchbar. Denn je deutlicher unter dem Zeitlimit umso sicherer, dass es wirklich einen Startplatz in Boston gibt. Und dann kam mir noch Richard "Richy" D. in den Sinn, der 2007 im für mich damals biblischen Läuferalter von 41 Jahren auch seine Marathon-Bestleistung von 3:02:49 erbrachte, was mich damals schwer beeindruckte, wie man mit über 40 noch schneller werden kann. Jetzt hatte ich also selbst dieses Alter erreicht, also müsste das ja wohl bei mir auch funktionieren können, denn ich fühl' mich eigentlich noch jung, bin fit, hab' keine wirklichen Beschwerden (die rechte Hüfte muckte im Training ein wenig, aber nur bergauf oder wenn ich nach schnellem Tempo langsamer wurde - das würde sich also einfach vermeiden lassen, in dem ich nicht langsamer würde :-D und steile Bergauf-Passagen gibt's in Valencia nicht), die Wettervorhersage passte (ca. 8-10°C beim Start, dann Erwärmung auf ca. 16°C, schwacher Wind mit max. 10km/h). Dieses perfekte Gesamtpaket sollte ich wirklich nutzen - wie oft hat man schon nahezu perfekte Bedingungen? Aber demütig anfangen, geduldig bleiben. Denn zu oft hatte ich bei Marathons schon auf dem ersten Halbmarathon zu stark hingehalten, um dann mit einem massiven Tief spätestens bei km34 bis km36 mit Gehpausen das Ding zu versemmeln. Die Distanz ist ja nicht mein Problem, nur das Tempo :-).

Sonntag: Tagwache um 5h45, damit sich mit Frühstück, kurzem Aufwärmen, usw. bis zum Start um 8h30 alles stressfrei ausgeht. Hat super geklappt und um 8h15 stand ich (leicht nervös) im Startblock. Der Zutritt wird übrigens genau kontrolliert, die umgebenden Zäune sind ca. 2m hoch (also nix mit drüberklettern) und so steht wirklich nur im jeweiligen Startblock, wer dort von der geplanten Zielzeit und Vorleistung hingehört. Bis 8h30 wurde es dann natürlich ziemlich kuschlig im Startblock. So viel Nähe und Gedränge hatte der Ultraläufer schon länger nicht mehr bei einem Lauf, aber es geht ja eh bald los. Und nachdem der Startblock nun noch vor dem Start ein paar Meter vorrücken darf, verlässt mich auch mein "wolliger" italienischer Startblocknachbar, der sich an meinen Oberarm kuschelte. Allerdings folgt ihm ein rasierter spanischer Oberarm mit Tagesstoppelansatz nach - da nehm ich bitte lieber den wolligen wieder :-)

42.195 Meter bis zum Glück?
Aber jetzt fällt auch schon der Startschuss und das Feld trabt los. Nachdem alle im gleichen Tempo losrennen, gibt's um mich herum kein Gedränge, keine wahnwitzigen Überholmanöver oder laufende Bremsklötze. Ich komme sofort in mein geplantes Anfangstempo von 4:20min/km hinein und es rollt angenehm dahin.

Die ersten 5 Kilometer sind in 21:40 perfekt in der Vorgabe absolviert und hier ist auch die erste Labestation. Ich bin gespannt, wie denn das ablaufen würde. Im Info-Magazin (mit weit über 100 Seiten ist das wirklich mehr ein Buch als eine simple Starter-Information) waren Wasser in Flaschen und Iso in Bechern sowie Flaschen angekündigt. Dazu Gels bei km20 und km30. Nur die Möglichkeit von Eigenverpflegung gab es offenbar nur für die absoluten Top-Läufer (auch von der Nummerierung auf den Tischen her dürfte das nur bis zur Startnummer 200 gegangen sein). Die Labestation war perfekt (so wie alle weiteren alle etwa 5 Kilometer). Zunächst wurden 0,33lt-Wasserflaschen (stilles Wasser) von unzähligen Helfern sowohl links als auch rechts der Strecke gereicht und das auf einer Länge von geschätzt 100m. Also null Gedränge an den Tischen, sondern jeder bekam seine Wasserflasche wenn er denn wollte in die Hand gedrückt. Danach dasselbe Spiel nochmals auf 100m mit Iso, ca. 80% der Helfer mit Bechern, 20% aber auch mit unterschiedlich voll gefüllten Flaschen. Man konnte sich also austoben was man genau haben wollte. Perfekt und super stressfrei. Von meiner Wasserflasche bleibt ein bisschen was über, also frage ich in die Runde der Mitläufer, ob vielleicht doch noch jemand etwas "Agua, agua" braucht - "Si, si" wird meine Flasche dankend angenommen. Gäbe zwar eh noch genug davon bei den Helfern, aber wozu Wasser vergeuden.

So rolle ich weiter. Bei km7 auch an Carola vorbei, die leider mit Verdauungsproblemen kämpft, mich aber kurz darauf wieder einholt, um sich wenig später doch wieder nach hinten zu verabschieden - nicht ihr Tag heute (aber wenigstens kommt sie unverletzt und sogar zufrieden ins Ziel). 

Polleralarm!
km10 ist in 43:16 erreicht - noch ist genug Blut im Hirn, dass ich errechnen kann, 4 Sekunden vor Plan zu liegen - ich muss lächeln, weil ich mir vorstelle, dass Georg "CobbDouglas" Z., der mich bei einigen Trainings begleitet hatte (und dabei teilweise alle 100m die Durchgangszeiten ansagte, was sehr hilfreich war), wenn er denn auch beim Marathon pacen würde, jetzt wohl ganz ruhig sagen würde "gut so, plus 4". Also perfekt - nur geduldig weiter so. Kurze Schrecksekunde nach ca. 11,5km: die Ideallinie verläuft knapp am Beginn eines Fahrradstreifens vorbei, welcher durch Plastikpoller und -schwellen von der PKW-Spur getrennt ist. Ging sich gerade noch aus, dass ich dem Poller ausweichen konnte, den ich erst erspähte, als der Läufer vor mir dem Poller auswich (und ebenfalls fast drüber stolperte).Im Bild rechts bin ich nicht zu sehen, aber auch beim Spitzenfeld war's knapp bei "meinem" Poller.

Bei km14,5 dann mein erstes Gel, dem Wasser und Iso bei der Labe bei km15 folgen. Hier geht mächtig die Post ab - Musikbeschallung ("Simply the best!" - die Musik ist Programm!) und Moderation vom Feinsten, Zuschauerspalier, Marathon-Partyyyyy! Freu mich schon auf km26, da kommen wir dann, wie ich am Kilometerschild auf der anderen Fahrbahnseite sehe, wieder hier vorbei. Mit 1:04:59 bin ich nun eine Sekunde vor Plan und es rollt. Nach km17 sieht man für zwei Kilometer auf der Gegenfahrbahn jene Läufer, die gerade die Kilometer 9 & 10 absolvieren. Also Abwechslung oder möglichst viele Viertel der Stadt einzubauen ist nicht das Credo des Valencia-Marathons. Die Strecke ist auf breite, gut laufbare Straßen, wenige Höhenmeter und Windschutz (daher auch keine Passage direkt am Meer) optimiert.

Bei km19 wurden dann etwas früher als für km20 angekündigt Gels vom Veranstalter verteilt. Eines geschnappt, das Verstauen in der Hose funktionierte nicht so auf Anhieb, also trag ich es halt mit bis ich's brauche - wird eh bei km24 in etwa sein. Bei km20 durch in 1:26:33, also 7 Sekunden vor Plan, laaaangsam, geduldig bleiben bis km30! Die Halbmarathonmarke kommt bei 1:31:16, also unter 2:02:32 muss ich laufen, damit ich endlich eine schnellere zweite Hälfte und somit negative split zusammenbringe. Achja, ich fühle mich immer noch fit und locker, habe Spaß an der Sache. Enjoy! Anzeigetafeln zeigen jetzt übrigens schon Temperaturen von meist 14-15° an, das könnte heute noch ein wenig warm werden. Aber im Schatten - und von dem gibt's bei Sonnenaufgang erst um 8h, damit immer noch tiefstehender Sonne und meist Wohnhäusern mit mindestens 6-8 Stockwerken genügend - ist es noch angenehm zu laufen. Aber vorsichtig auch ein bisschen mit Wasser kühlen kann nicht schaden.

Jetzt geht's zurück in Richtung Start und - psychologisch angenehm - anders als 2013 nicht mehr direkt am Hotel vorbei sondern näher bei der Ciudad de las Artes y de las Ciencias, einem architektonisch eindrucksvollen Museums- und Kulturzentrum. Hier gibt's bei km24 nun das vorhin geschnappte Gel, denn bei km25 ist ja schon wieder Labezeit mit Wasser zum Gel runterspülen.

Km25: 1:48:17 - plus 3 Sekunden auf den Plan. Noch einmal 21:40 für 5 Kilometer und dann darf ich von der Leine und schauen, was die Beine hergeben. Der aufmerksame Leser weiss, was jetzt kommt. Genau, bei km26 laufen wir wieder ein ins Spalier und die Musikbeschallung, die ich bei km15 schon erwähnte. Dieses Mal "Thunderstruck" - ob ich wohl ein Lightning werde? Bei km27 dann Überquerung des trockengelegten Flussbettes des Riu Turia, der jetzt ein Naherholungsgebiet und Laufrevier ist. Hier fand am Samstag auch der Breakfast-Run statt, welchen wir aber ausließen. Jetzt dreht sich die Strecke Richtung Altstadt, wo es stimmungsmäßig so richtig abgehen wird, wie ich auch von der Aufzeichnung des Valencia-Marathons 2016 (https://www.youtube.com/watch?v=dbimnQ8ABUE) wusste (ja, die hatte ich mir mit spanischem Kommentar volle Länge in der Vorbereitung angesehen :-) ). Wobei: auch bis jetzt war man nie einsam an der Strecke gewesen, ständig kam von irgendwo ein "venga, venga" oder "animo, animo" her. Nur mehr 3 Kilometer Geduld.

Kurz vor km30 dann die zweite Gelverteilung - schnapp, daneben gegriffen :-( ... aber kein Problem, da stehen ja noch viele Helfer und beim nächsten bin ich geschickter. Aufreißen, schlucken und dann sind wir schon bei der Labe mit Wasser und Iso - dieses Mal aus der Flasche, die auch ziemlich voll ist. Daher Frage an den Nebenläufer ob er auch noch Iso mag - "si, si". Durchgangszeit 2:09:58 - zwei Sekunden vor Plan. Jetzt darf ich dann rennen. Aber nix übertreiben, weil erstens geht's nun kurz ganz leicht bergauf und mehr noch zweitens: meine Angstpassage beim Marathon kommt ja noch mit km34 bis km36 und dort will ich nicht wieder eingehen. Etwas schneller geht aber, zumindest fühlt es sich so an, was aber auch daran liegt, dass das Feld um mich herum langsamer wird und ich bei gleichem Tempo somit am Überholen bin. Ein gutes Gefühl - I enjoy it!

km35: das übliche Spiel, entspannte Labestation mit Wasser & Iso, Durchgangszeit checken: 2:31:31 - 9 Sekunden vor Plan, also nicht wirklich viel schneller geworden ... aber auch nicht langsamer und ich hab nur mehr einen, maximal zwei "Angstkilometer" vor mir, dann sollte nicht mehr viel passieren können. Weil die letzten 5 bis 6 Kilometer hab ich bisher immer noch kämpfen können.

Einzig: in den Oberschenkel hinten machen sich leichte Krampfansätze bemerkbar. Offenbar habe ich doch etwas zu wenig getrunken und aufgrund der Wärme ordentlich geschwitzt (zeigt mir auch ein Blick auf die gepökelte Laufhose nach dem Lauf). Also ran an meine Salzbeutelchen, die ich mir sicherheitshalber eingesteckt hatte und Salz lutschen. Das half ein wenig, aber ganz locker konnte ich den Schritt nicht mehr durchziehen - bitte nicht, dass mich Krämpfe stoppen :-O.

Mittlerweile hab ich ein wenig die Orientierung verloren, wo und in welche Richtung wir laufen, aber egal, einfach der goldenen Linie, welche die Ideallinie markiert, nach - verlaufen ist eh nicht möglich, einfach immer im Zuschauerspalier bleiben. Venga, venga, animo, animo!

km37 ist erreicht - ich laufe immer noch gleichmäßig, kein Einbruch. Heute ist es wohl wirklich geschafft, das Schlimmste überstanden, jetzt weiter dranbleiben. Oberschenkel hinten sind wieder krampfiger, restliches Salz zuzeln. Kilometer 38 bis 39 oder so - jetzt geht es über Abluftschächte der U-Bahn drüber, die für meine Besohlung mit ON Cloud und dessen Lamellen etwas unangenehm zu belaufen sind. Aber entweder am schmalen Asphaltband links davon vorbei oder eben vorsichtig bei den durchgehenden Längsstreben aufsetzen. Ist auch bald vorbei.

Kilometer 40 - 2,2km noch. Noch einmal Iso & Wasser. Durchgangszeit 2:53:07 - keine Ahnung, was das jetzt relativ zum Plan ist, renn' einfach (Anmerkung plus 13 Sekunden waren es). Jetzt kommen wir auch wieder auf die Straße entlang des stillgelegten Flussbettes des Riu Turia, von wo es praktisch nur mehr gerade zum Zielbereich geht. Ich bin am Überholen und Überholen, das Publikum dicht an der Strecke, "venga, venga, Martín" werde ich angefeuert. Echt schön ist das heute - fast zum Genießen, aber bald sind wir ja schon im Ziel - schade ;-)! Aber dranbleiben, auf die Oberschenkel aufpassen, dass sich die leichten Krampfansätze nicht weiter auswachsen. Aber wann kommt endlich der 41er?? Das ist irgendwie recht lange. Ah, da ist er schon. Mit Plüsch-Maskottchen, das Abklatschen will. Nein, das lasse ich lieber aus, konzentriert bleiben. Jetzt noch eine ganz leichte Kuppe, bevor es mit deutlichem Gefälle bergab geht. Vorsichtig runterrollen, nur nicht 1000m vorm Ziel die Oberschenkel zerschießen. Und auch meine Besohlung ist auf dem kleinformatigen Pflaster nicht ganz ideal bzw. spüre ich nach fast 3 Stunden meine Fusssohlen doch deutlich. Aber trotzdem andrücken was geht. Die Stimmung ist Wahnsinn! 500m noch zeigt die Markierung am Streckenrand an, kurzer Blick auf die Uhr, okay, unter 3h02 wird sich nicht ausgehen, aber mit Genuss ins Ziel laufen, Bestzeit wird es sicherlich werden.

die letzten Meter ...
(am Tag davor aufgenommen)
Rechtskurve, die Musik dröhnt einen fast weg, und da ist schon der blaue Teppich für die letzten 200m - ab hier ist das Pflaster nicht mehr spürbar bzw. läuft man auch auf einem Holzsteg. Linkskurve und dann nur mehr gerade aus ... jajajaja, bald ist es geschafft, heute klappt es wirklich!!! Gefühlt Vollgas und auch die offizielle Rennuhr (mit Bruttozeit) zeigt noch eine Zeit unter 3h03 an.

Jubel im Ziel
Jawohl! Mit 3:02:19 bin ich im Ziel und überglücklich. Neue Bestzeit, Plan um letztlich 32 Sekunden unterboten, und endlich ohne Drama, sondern eigentlich fad-unspektakulär. Die Trainingsleistungen umgesetzt und gleichmäßig den Marathon durchgelaufen (erster Halbmarathon 1:31:16, zweiter HM 1:31:03).

Und die Erkenntnis: so "einfach" kann Marathon also auch sein, kein langes Leiden mit (in meinen Augen) unterdurchschnittlichem Erfolg. Im Nachhinein betrachtet war ich vielleicht sogar minimal zu defensiv, aber die Krämpfe kamen wohl auch nicht von ungefähr. Also sollte es schon gepasst haben, und es ist ja auch schön, wenn man sich denkt: das war bisher mein "perfektester" Marathon, aber da geht wohl auch noch mehr und vielleicht habe ich jetzt endlich den Schlüssel zum Marathonlaufen gefunden - 30 Kilometer lang "fadisieren" und dann "gemma". Ein bisschen mehr "Freunde" sind der Marathon und ich jedenfalls geworden. Nichtsdestotrotz müssen wir es mit der Freundschaft auch nicht übertreiben und daher geht's - nach ein paar Wochen Regeneration - die nächsten Trainingsmonate wieder zurück auf die Ultralangstrecke und das Laufen für den guten Zweck. Bin gespannt, was der "Tempoblock" mir für die Ultras bringen wird.

Next stop: 48 Stunden-Benefizlauf in Gols im Mai 2018 wieder für "sowieso! Kunstworkshops für Kinder mit Behinderung". Aber nächsten Herbst könnte ich mir ganz gut wieder einen "schnellen" Marathon vorstellen.

Fazit zum Valencia-Marathon: wie schon 2013 als Nichtläufer, haben sich auch als Läufer die positiven Wahrnehmungen bestätigt. Eine wirklich perfekt organisierte Veranstaltung - alles funktioniert reibungslos und schnell (fast preussisch, aber dann doch mit dem spanischen Charme dazu): angefangen von der Startnummerausgabe über die Messe, die Einordnung im Startblock, die Laben. Die Streckenführung ist definitiv schnell und das Starterfeld auf einem qualitativ und quantitativ hohen Niveau: mit meiner Zeit war ich auf Platz 1.442 von 16.180 Finishern (Top 9%; zum Vergleich: beim VCM ergab diese Zeit Platz 310 von 6.342, also Top 5%) und so lief ich keinen Meter ohne Mitläufer um mich herum, man hat immer jemanden zum Orientieren. Die Stimmung grandios, es gab ja auch jede Menge Stimmungspunkte mit so was ähnlichem wie Faschingsgilden - aber das habe ich nicht so im Detail wahrgenommen, dazu war ich zu sehr auf mich und den Lauf konzentriert. Und auch die Ziellabe kann was: neben einer Wärmefolie in Pellerinenform mit Kapuze (superpraktisch! da hat jemand mitgedacht), gibt's zunächst eine Einkaufstasche mit der Basisausstattung von Mandarinen, Wasser, Iso und Handtuch. Und dann noch in der freien Verteilung Bananen und Trockenfrüchte, die man nach eigenem Ermessen in der Tasche einsackeln kann für die spätere Regeneration. Dazu frisch gezapften Radler. Da lässt es sich auf den Erfolg anstoßen!

Für mich hat Valencia meinen bisherigen Lieblingsmarathon für "schnelle Zeiten" in Frankfurt abgelöst - und das heißt etwas, weil Frankfurt für mich auch schon ziemlich nahe an der Perfektion ist. Die Strecke ist in Valencia definitiv schneller, weil weniger Höhenmeter, die Logistik ebenso gut und die Strecke vor allem anfangs auch etwas breiter als in Frankfurt und damit entspannter laufbar. Gleichzeitig scheint mir gefühlt auch das Starterfeld leistungsstärker als in Frankfurt zu sein. Zumindest war's auch gegen Ende hin noch ein gutes dichtes Feld um mich herum, aber auch super laufbar. Einzig die höheren Temperaturen können unangenehm weil ungewohnt sein. Aber besser warm und trocken als kalt und nass (wie es leider die Florenzmarathonis heuer hatten). Also von mir eine klare Empfehlung, wenn jemand einen späten Herbstmarathon sucht!

Damit: Adios y hasta la vista 2018?! Ich schau' mir jetzt jedenfalls an, wie der Marathon so im Fernsehen ausgesehen hat und an welchen Sehenswürdigkeiten wir denn vorbeigelaufen sind :-) ... darunter gibt's noch ein paar Impressionen meines Laufs.