Samstag, 19. Mai 2012

Vogau aus Betreuerinnen-Sicht


Backstage-Bericht von Carola mit bisher unveröffentlichtem Bonusmaterial.

Ganz ohne Betreuung funktioniert Ultralauf nicht gut, daher kommt jetzt auch mal die Betreuerin zu Wort.

Nach ziemlich stressigen Tagen davor ging es am Freitag Nachmittag nach Vogau. Für meinen Spaß noch davor nach Graz zum Stiletto Run. Solche Läufe hatten mich, seit ich von deren Existenz weiß, gereizt. Dass es gerade an dem Tag, wo es nach Vogau ging, in Graz einen solchen Lauf gab und ich auch noch einen Startplatz gewann, war mein Glück. Martin konnte ich auch zu diesem Abstecher überreden und so wurde es Wirklichkeit. Der erste Sprint fand schon mal zum Start statt (da zum Glück noch mit Sneakers), da ein extramühsamer Stau (bei ca. 30°C) uns knapp eine Stunde gekostet hatte. Mit ein bisschen Bitten, ein bisschen Diskutieren und ein bisschen Streiten konnte ich die Verantwortlichen überzeugen, mir beinahe eineinhalb Stunden nach Ende der Startnummernausgabe doch noch Chip und Startnummer zu geben. Nach 88 Meter Sprint in High Heels (eh nur 8 cm) wusste ich: Ich bin keine Sprinterin, zumindest nicht halb verletzt, und schon gar nicht in Stilettos. Die Konkurrentinnen, gegen die ich in meinen Lauf zurückblieb, gereichten mir nicht gerade zur Ehre. Mein Glück war nur, dass bei der Express-Anmeldung offensichtlich etwas schief gelaufen war, so dass bei meinem Ergebnis nicht mein Name sondern nur „TN unbk.“ aufschien. ;) Nach diesem Exkurs, den ich halbwegs unbeschadet (es war danach nicht viel schlimmer als davor) überstanden hatte, ging es nun weiter zu unserem wirklichen Ziel, Vogau.

Das Wettkampfgelände und unser Stellplatz waren schnell gefunden, letzterer war nur etwas kleiner als erwartet. Wir schafften es dann doch, uns einzuparken und dann ging’s auch schon zur Startnummernabholung. Schon im Vorfeld war mein Eindruck der einer sehr nett gemachten Veranstaltung – zum Glück, denn schließlich hatte ja ich Martin auf die Idee gebracht, nach Vogau zu fahren – so waren meine Erwartungen auch eher hoch. Nicht nur für Martin, auch für mich selbst. Nicht laufen zu können und dann womöglich bei einem unguten Lauf Zeit zu vernichten wäre recht frustrierend gewesen. Der erste Eindruck bestätigte meine Erwartung jedoch. Freundlich, kompetente, hilfsbereite Menschen überall. Freundliche Begrüßung, Startnummer übergeben, richtige Größe des Starter-T-Shirts herausgefunden und dann ging’s zu Pasta Party, von der wir im Vorfeld nichts gewusst hatte, die uns jedoch durchaus freute. Plätze gab’s drinnen im Gemeindeamt und draußen an der Strecke genug, angesichts der Hitze und stickigen Luft war es Freitag Abend draußen deutlich angenehmer.

Nach der Pasta Party war die Streckenbesichtigung dran. Eine flache Strecke bei der keine Steigungen störten, aber die zu erwartende Hitze könnte unangenehm werden, da es einige der Sonne ausgesetzte Abschnitte gab. Überall entlang der Strecke waren Stellplätze für die Teilnehmer markiert, teilweise auch in den Gärten der Anrainer :). Die Einwohner sind hier offensichtlich voll dabei.

Schließlich hieß es noch den Zeltpavillon aufzubauen, der am nächsten Tag die Verpflegung und mich vor Sonne und Regen schützen sollte. Eine Premiere, Martin hatte ihn erst wenige Tage vor dem Lauf geliefert bekommen. Diese Herausforderung klappte gut, dabei lernten wir auch schon die benachbarte Viererstaffel kennen. Sie borgten sich Werkzeug von uns aus und halfen uns im Gegenzug beim Aufbau. Es war noch nicht wirklich spät, ich aber dennoch schon ziemlich kaputt. Zum Glück schien Martin fitter zu sein als ich, bei ihm würde es ja wirklich darauf ankommen. Es dauerte noch etwas, bis wirklich alles vorbereitet war, aber dann ging es endlich ins Bett, ich konnte schon nicht mehr aufrecht sitzen und der nächste Tag würde ja lang und wohl auch anstrengend werden.

Am Samstag hieß es um 06:15 Tagwache (Start war um 08:00 – im Gegensatz zu anderen Ultraläufen auch pünktlich ;-)). Ich richtete Martin Frühstück her und kroch selbst wieder ins Bett. An Schlafen war allerdings doch nicht mehr zu denken, und so stand ich nach einer Stunde doch wieder auf und ging zum Start um die Labestation zu inspizieren (damit ich, sollte Martin irgendwann verwirrt sein, was er denn möglicherweise brauchen könnte, Bescheid wüsste – so informierte ich ihn gleich, das das Bier mit Alkohol wäre, es aber auf Nachfrage auch alkoholfreies gäbe), unterhielt mich mit einigen Bekannten (immer wieder der gleiche traurige Dialog: „Nein, ich starte hier gar nichts, nein, auch nicht sechs Stunden oder Staffel, bin immer noch verletzt, jogge vielleicht so für mich ein paar Kilometer“), bereitete dann schon die Basis in unserem Zelt vor und beobachtete die – auch sehr nette – Vorbesprechung / Ansprache und den Start.

Jetzt war mal einige Zeit Pause für mich, Martin plante erst nach 1:20 mit dem Iso-Trinken und mit Gels zu beginnen. Es war bereits recht warm, also blieb mal alles im Kühlschrank, ich legte mich auf mein Campingbett hin und beobachtete den Lauf. Ab ca. 10 absolvierten Kilometern begann ich auf einer Pinnwand den aktuellen Kilometerstand anzuzeigen. Davor beginnen Ultras ja gar nicht erst zu zählen. :-) Dann hieß es auch bald, die Trinkflaschen herzurichten. Jede zweite Runde ein Viertelliter Ultrabuffer, jede Stunde ein Gel. Schön griffbereit positioniert. Zusätzlich wollte Martin Kühlung, es war schon ziemlich heiß, also gab es auch noch ein Geschirrtuch zum Eintauchen in die Wassertröge.

Nach dem zweiten Gel, das Martin geschnappt hatte wollte auch ich zu meinem kurzen Lauf aufbrechen. Mal sehen wie es geht, was das Bein sagt. Wird es schon besser? Vier Runden zu 1,82962 km hätte ich geplant gehabt. Das Bein fühlte sich ja gar nicht mal so schlecht an, aber ich war so müde, so fertig. Riesendurst! Leeregefühl! Schwindlig! Pffff, wirklich komplett außer Form! Zwei Trinkstopps legte ich ein, nach drei Runden ließ ich es gut sein. Das war wohl nicht das Wahre. Immerhin: das Bein schmerzte nicht arg, aber der Rest war völlig hinüber. Lag es am Wetter? Nach meinem Ausflug brachte ich die Basis wieder auf Vordermann: Absolvierte Kilometer auf der Liste markieren und auf der Pinnwand anzeigen, Weggeworfene leere Flaschen wieder befüllen, Gels positionieren, für zwischendurch „für’s Gemüt“ auch von der Labestation Mohnkuchen holen :-) und den Zwischenstand checken. Martin war ganz anständig unterwegs, Platz 24 – und hielt sich auch so halbwegs an seinen Plan, war auf Kurs 117 km.

Bald kam auch Heinz, unser Nachbar auf der anderen Seite, an. Er war von zwei Staffelteams etwas beengt, da er aber nur ein kleines Zelt hatte und sechs Stunden vorhatte, reichte der Platz. Auch er baute auf, checkte die Lage, holte die Startnummer und bereitete sich vor. Inzwischen kühlte es leicht ab und mir fiel auf, dass Martin, obwohl er sich offensichtlich bei seiner Verpflegungsaufnahme immer mehr Zeit ließ und auch kurz zum Plaudern stehen blieb, immer schnellere Rundenzeiten lieferte. Der Temperaturrückgang wirkte sich deutlich aus. Während Heinz und ich noch plauderten bemerkte Heinz, dass es auf einmal wolkig zuzog, und während ich noch schaute und ihm zustimmen wollte, kam auch schon der Regen. Zuerst leicht und sehr schnell auch stark und dann war auch gleich das Gewitter da. Der Zeltpavillon, der zur Hälfte auf Asphalt stand, war nur mit zwei Beinen im Boden verankert, die anderen beiden flogen in der Luft herum. Unsere Nachbarn arbeiteten daran ihr Zelt zu sichern, auch ich versuchte gleichzeitig, herumfliegende Teile festzuhalten und die Verpflegung und alles andere, was herumstand zu sichern. Alles, was nicht unbedingt draußen stehen musste – zwei Campingbetten, die Kilometertafel-Pinnwand, eine kleine Haushaltsleiter, mein Rucksack, einiges von der Verpflegung, Martins Kappe – stellte ich ins Wohnmobil hinein, leider bereits komplett nass. Zum Glück dauerte das Gewitter nicht allzu lang und bald konnte man den Normalbetrieb wieder aufnehmen. Wieder hieß es: Überblick über den aktuellen Stand gewinnen, Kilometerstand markieren und anzeigen, Verpflegung nachfüllen, durchnässte Salztabletten, Kuchen und Salzgebäck entsorgen und frisch auflegen.

Es kehrte wieder Ruhe ein, und der Rhythmus wie gehabt: jede zweite Runde trinken, jede Stunde ein Gel. Martin lief weiterhin ruhig weiter, aber an den Zwischenständen sah ich, dass er schon einige Plätze gutgemacht hatte. Jede Stunde ein paar Positionen nach vor. Es war zwar nur ein Trainingslauf, aber es freute trotzdem. Die gewitterbedingte Abkühlung schien ihn so richtig in Schwung gebracht zu haben, denn plötzlich kam er mit der Frage an „Welche Rundenzeit brauche ich für 120 Kilometer?“ Hmm. Der Plan war doch eigentlich gewesen, acht Stunden mal gemütlich zu laufen und dann, eventuell, Gas zu geben. Nicht bereits nach sechseinhalb Stunden!! Egal, mal nachgeschaut, es stand ja alles übersichtlich auf der Tempotabelle. Nicht nur der benötigte Rundenschnitt sondern auch der aktuelle Rückstand auf die 120 Kilometer. Bei Martins nächstem Durchgang wusste ich schon bestens Bescheid. Voll Vertrauen ;-) bestand er dennoch darauf selbst in der Liste nachzuschauen, dann glaubte er mir aber doch. Und dann flog er dahin! Der Rückstand von acht Minuten war nach einer Runde schon auf sieben reduziert, nach einer weiteren Runde auf sechs. Langsamer! Laaaangsamer! Du darfst ja schnell laufen, aber BITTE nicht den ganzen Rückstand in fünf Runden aufholen wollen!!! Ich hoffte, ich könnte ihn so halbwegs überzeugen.

Das Zelt trocknete nach und nach, zum Glück! Das nasse Zeug im Wohnmobil zu haben wäre nicht so toll gewesen. Die Ruhe war leider nicht von langer Dauer. Bald kam starker Wind auf. Wieder hob das halbe Zelt ab, Trinkflaschen und Becher flogen herum. Nicht schon wieder! Den inzwischen zum Glück getrockneten Seitenteil montierte ich so schnell als möglich ab, Sonne war ohnehin nicht mehr zu erwarten und gegen einen möglichen Regen würde ja das Dach ausreichen. Die Viererstaffel versuchte hingegen, ihr Zelt besser zu sichern und auch Heinz, der seinen Lauf unterbrechen musste, band sein Zelt an einer Laterne an. Wenigstens blieb es trocken und man musste „nur“ immer wieder davonfliegenden Flaschen, Bechern, Tellern und Zetteln nachlaufen. Auch das war irgendwann vorbei und ich dachte daran, zu meinem zweiten Lauf aufzubrechen.

Nochmals alles checken: Steht alles bereit, was Martin brauchen würde? Sind Kappe, Legionärskappe griffbereit? Genug Gels mit und ohne Koffein da? Salzgebäck, Iso-Getränk und Wasser? Passt alles, jetzt kann ich auch laufen gehen. Ich meldete mich von Martin ab und überholte ihn kurz danach auch. Nachdem das Unwetter durchgezogen war ging es auch mir auf einmal deutlich besser. Das Bein spielte wieder halbwegs mit und laufen machte auf einmal Spaß. Anstrengend war es trotzdem, insbesondere, da ich auch ohne Startnummer anscheinend einen „Startnummerneffekt“ verspürte und gar nicht mal so langsam im 4:28er-Schnitt unterwegs war. Ich wurde auch, genauso wie die Teilnehmer, angefeuert. Und ich gebe zu: Ich freute mich darüber, denn für mich war es vermutlich ein ebenso großes Erfolgserlebnis ein klein wenig zu Joggen, wie es für die echten Teilnehmer war, ihr Bestes zu geben. Ich nahm die gute Stimmung mit, freute mich über die Band an der Strecke, über die Musik aus der Konserve – natürlich echte Ultra-Klassiker „Sweet Caroline“, „Ein Steeeeeern, der deeeeeeiiiiiiiinen Namen trääääääägt“ und auch neue Lieblingslieder wie den „Lagerhaus Reggea“ :-) Ein Teilnehmer klatschte mich sogar ab. Als ich beim vierten Mal bei ihm vorbeikam entschuldigte ich mich, dass ich doch nur eine Betreuerin auf Pause war – machte nix, das war ihm auch egal. Es war sehr nett zu sehen, wie die Team teilweise in den Gärten der Anwohner campierten – eine sehr angenehme Atmosphäre.

Das Bein schmerzte leicht, aber es war doch ein recht lockeres Laufgefühl. Fünf Runden war das Maximum, das ich mir als vernünftiges Limit gesetzt hatte. Fünf Runden war es auch, was sich zeitlich ausging, danach musste ich ja wieder zurück an meinen Posten. Ich sah schon, dass Martin die letzte Flasche genommen hatte, jetzt war es an der Zeit für mich, zwei Runden von ihm noch, dann müsste der Nachschub da sein. Auf meiner fünften Runde sah ich Martin schon wieder vor mir. Ich würde ihn noch überholen bevor er an unserem Standort vorbeikommen würde, also könnte ich ihm gleich sagen, dass ich eh bald wieder an meiner Stelle wäre. Kurz vor Start / Ziel erreichte ich ihn und meldete mich zum Dienst zurück. Da meinte er jedoch, dass es ihm nicht so gut ginge, ich solle ihm Salzgebäck herrichten. Das wurde nun ein bisschen stressig. Falls er es gleich brauchen würde, müsste es schnell gehen, also schnappte ich gleich im Vorbeilaufen bei der Labestation eine Handvoll Soletti und legte sie im Teller bei unserer Station auf. Getränk füllte ich auch nach und fragte Martin dann, als er vorbeikam, was los sei: Der Kreislauf war’s, der wollte auf einmal nicht mehr so recht. Jetzt würde er mal gehen. Nachdem ich mal das Notwendige hergerichtet hatte, holte ich noch einen Becher Red Bull von der Labestation. Mag Martin zwar normalerweise nicht, aber es schadet nicht, ihn bei der Hand zu haben. Gespannt wartete ich, was auf der nächsten Runde sein würde. Aber da ging es auch schon wieder besser, die Kreislaufprobleme waren vorbei. Aber – nun meldete sich das Knie: Knieschmerzen. Martin schmierte sich das Knie ein und wollte mal sehen, was geschehen würde. Er wirkte aber recht pessimistisch – zum Glück zugleich auch vernünftig. Er meinte, wenn es nicht besser würde, würde er aufhören oder nur mehr gehen. Schade zwar, aber besser so! Das große Ziel der 24 Stunden sollte nicht gefährdet werden. Der Aufwärtstrend war klar zu sehen, in Seregno waren es nur 66 gelaufene und 14 gegangene Kilometer gewesen, diesmal waren „wir“ ;-) schon weit darüber. Aber, die Überraschung kam: Eine Runde später lief Martin schon wieder, anscheinend schmerzfrei. Sehr gut!

So ging alles wieder geordnet weiter und ich hatte auch Zeit ausführlich zu dehnen – eine Wohltat, zuletzt hatte ich nie die Zeit dafür gefunden. Ich begann auch das Zelt komplett abzubauen. Martin, der sein Knie noch ein weiteres Mal bearbeitete und auch einen „Boxenstopp“ im Wohnmobil einlegte wollte mir dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich bemühte mich ihn loszuwerden: Er sollte doch lieber laufen und nicht mit nützlichen Tipps, wie sie sich ein Ultraläuferhirn nach zehn Stunden Laufen ausdenkt, – ähem – „helfen“. Ich war erfolgreich und schaffte es, ihn ohne gröbere Handgreiflichkeiten wieder auf die Strecke zu schubsen. Aber – was entdeckte ich da beim Versuch zusammenzuräumen? Die Startnummer?!?! Hat er doch wirklich die Startnummer im Wohnmobil liegen gelassen Na ja, würde hoffentlich kein großes Problem sein, bekommt er sie eben nächste Runde wieder. Die Zwischenzeiten von 17:00 und 18:00 zeigten Martin weiterhin langsam auf dem Vormarsch. Platz 12 und dann schon 9 mittlerweile und 3. Klassenrang. Fein! Es sah so aus, als würde er den Lauf auch wirklich laufend zu Ende bringen. Der übermotivierte Zwischenspurt hatte zwar einige Körner gekostet, aber so in Richtung 116 km sollte es sich ausgehen. So feuerte ich ihn auch an, nicht lockerzulassen und weiterzulaufen. Ich hatte hingegen noch ein weiteres Mal Stress. Um ca. 18:45 begann es WIEDER zu regnen. Und diesmal sah es so aus, als würde es sich so richtig einregnen. Also noch einmal die verbleibende Ausrüstung verstauen, bzw. besser gesagt, irgendwie ins Auto reinschmeißen, dort lag schon alles durcheinander. Ich hatte den Eindruck, dass David Lilek, den ich während der ersten Stunden des Laufs versucht hatte möglichst oft anzufeuern, nun umgekehrt mich tröstete, wie ich verzweifelt und frustriert mit dem ganzen Krempel kämpfte. Ich zählte auch schon die Minuten bis zur Zielsirene. Eine dreiviertel Stunde brauchte ich ungefähr, bis Futter und Zelt weg, Bank zurückgebracht und nasse Sachen drinnen halbwegs aufgelegt waren. Wieder hatte ich den Überblick verloren, was der Kilometerstand war bzw. in der Endabrechnung ergeben würde, aber auf jeden Fall über 110 km, also Grund zufrieden zu sein.

Die letzte Viertelstunde verbrachte ich mit Heinz’ Frau Elisabeth unter deren Zeltdach. Martin kam noch einmal vorbei und bat mich, ihm Jacke und Kappe für die Wartezeit bei der Restmetervermessung zu bringen. Ich hielt es für eine gute Idee, ihm zusätzlich – jetzt endlich! – ein Bier (mich an seinen ersten 24-Stunden-Lauf erinnernd, wo er so davon geträumt hatte, bei der Zielsirene ein Bier trinken zu können) und einen Teller Nudeln zu bringen. Mit Elisabeths Schirm ausgerüstet und Martins Übergewand unter meine Jacke gestopft, so dass es trocken bleiben würde, marschierte ich noch einmal zur Labestation und holte Bier, Nudeln und noch das letzte Stück Mohnkuchen (und musste einigermaßen kämpfen, nichts fallen zu lassen). Jetzt fehlte mir eigentlich nur mehr Martin. Nach der Berechnung zu Beginn seiner letzten Runde müsste es sich eigentlich ausgehen, dass er noch genau eine weitere schaffen würde, bevor es stehenzubleiben galt. Aber: Ich starrte mir die Augen aus dem Kopf und sah ihn nicht und nicht. Ich ging ein Stück gegen die Laufrichtung und sah ihn nicht. Ich drehte um, sah ihn nicht. Ich ging wieder ein Stück gegen die Laufrichtung und sah ihn nicht. Ich kehrte zu unserem Stützpunkt zurück und fragte Elisabeth, ob sie ihn vorbeikommen hatte gesehen: Nein. Irgendwo musste er ja stecken! Also ging ich noch ein weiteres Stück in Laufrichtung. Da sah ich ihn endlich! Gleichzeitig mit den Restmetervermessern erreichte ich ihn. Wenigstens hatte er einen guten Platz, regengeschützt unter einem Vordach, erwischt.

Bis zur Vermessung hatte es Martin offensichtlich gut ausgehalten, aber danach begann er ärgstens zu zittern. Der Weg ins Wohnmobil zurück war nicht weit, aber was erwartete uns dort? Ein Durcheinander, sodass wir uns kaum rühren konnten und nur Platz hatten, auf Zehenspitzen zu stehen. Das meiste war aber bereits einigermaßen trocken (nur wir waren komplett nass) und so schafften wir es irgendwie doch nach und nach alles dorthin zu räumen, wo es hingehörte. Mit einer heißen Dusche und den heißen Nudeln ging es Martin besser und mir wurde leichter, als die Sachen langsam so verstaut waren, dass an ein ordentliches Fahren zu denken war.

Davor ging es noch zur Siegerehrung, die für 21:30 angesetzt war. Ich ging davon aus, dass Martin seinen 3. Klassenrang nicht mehr verloren hatte, also sollte es dort etwa für ihn zu holen geben. Die Siegerehrung fand zwischen Strecke und Gemeindeamt statt – dort, wo 25 Stunden davor wir am lauen Freitagabend die Pastaparty genossen hatten. Diesmal froren und zitterten die erledigten Ultras (und deren Betreuer) vor sich hin. Der Moderator hatte ein Einsehen und kündigte eine Express-Siegerehrung an: Nur jeweils die ersten drei aller Bewerbe würden geehrt werden. Ein letzter Blick auf die Ergebnislisten, diesmal die endgültige, bestätigte: Martin hatte den 3. Klassenrang geschafft. Und, auf den letzten Runden auch den 6. Gesamtrang erkämpft. 115.49706 km. Super! Also nicht nur ein guter Trainingslauf wo er mit seiner erbrachten Leistung zufrieden sein konnte, sondern auch durchaus ein herzeigbares Ergebnis. Die Altersklassen-Plazierten durften sich nach der eigentlichen Siegerehrung ihre Trophäen vom Veranstalterteam holen. Danach wurden noch einige Hänge geschüttelt und wir kehrten – schon wieder einigermaßen nass – zum Wohnmobil zurück. Noch ein wenig war wegzuräumen, aber dann konnte es losgehen. Losgehen? Ja, am Sonntag stand der nächste Einsatz an: Da sollten wir in Wien im Donaupark beim Intersport Eybl Frauenlauf mithelfen. Dienstantritt 07:00. Also ging es noch in der Nacht zurück in die Heimat. Diesmal ohne Stau, aber – immer noch – im Regen. Martin am Steuer, das ließ er sich nicht nehmen, und ich versuchte mich, obwohl todmüde, im Dauerquasseln. Um 01:45 kamen wir in Wien an. Zu Hause absteigen hätte sich nicht ausgezahlt, so verbrachten wir die Nacht gleich, ganz idyllisch, am Donaupark, der Donauturm wachte über uns. Kurz war die Nacht, keine fünf Stunden, aber so etwas gehört wohl zum Ultraleben dazu.

Den Lauf über 6 km am nächsten Tag „nahm ich mit“. Somit kam ich an diesem Wochenende auf vier Läufe. Eigentlich beeindruckender als Martin – er war ja nur einmal gelaufen. ;-)

Donnerstag, 17. Mai 2012

Mein erster 12-Stundenlauf - eine neue Liebe?

Nachdem der "100km"/80km-Lauf von Seregno nach den Achillessehnenproblemen noch etwas zu früh kam, lief das Training dann in den drei Wochen zwischen Seregno und dem 12-Stundenlauf in Vogau als nächstem Test ohne Probleme ab. Langsam erhöhte mein Trainer etwas das Laufkilometerpensum, allerdings immer noch in Kombination mit Radfahren/Ergo als Vorbelastung. Dies schien meinem Körper weiterhin gut zu gefallen. So war das letzte Trainingswochenende mit samstags zunächst 80km Mountainbiken und dann 16km Laufen gefolgt von sonntags einem 43km-Lauf mit eingebauter Umrundung des Lainzer Tiergartens sehr vielversprechend, da ich dieses Programm ohne Schwierigkeiten und stets mit einem lockeren Laufgefühl gut absolvieren konnte.

Neben dem Training beschäftigte ich mich auch mit der Infrastruktur für Stundenläufe. Da ich dem Ultralauf und hier den 6h-(?? dazu später ;), 12h-, 24h-Läufen sicherlich treu bleiben werde und mich in Vogau Carola zwölf Stunden lang betreuen würde, musste ein Pavillonzelt zum Schutz vor Regen und Sonne her. Ebenso natürlich ein Campingtisch und ein - einer genügt, weil ich soll ja eh laufen - Campingsessel. Letztere zwei haben es leider wegen Lieferschwierigkeiten nicht nach Vogau geschafft, aber wenigstens das Pavillonzelt kam rechtzeitig an. Statt Campingtisch und Sessel wurde dann halt ein wenig improvisiert.

So ausgerüstet ging es Freitag nachmittag ab in die Südsteiermark und gegen 19h landeten wir in Vogau. Meinen Zeltplatz hatte ich bereits vorab auf der Veranstalterseite www.12stundenlauf.at reservieren können - ein ganz tolles Service des Veranstalters. Überhaupt war die gesamte Veranstaltung perfekt und mit viel Liebe organisiert. Alles klappte, alle Helfer waren kompetent und gaben gerne Auskunft, einfach eine perfekte Ultraveranstaltung. So bezogen wir mit unserem Wohnmobil gleich Stellplatz #62 und machten uns auf zur Startnummernabholung. Hier erfuhren wir, dass es sogar auch noch eine Pasta-Party gab, welche im Programm gar nicht extra angeführt war - solche Überraschungen mag ich :D. Also noch ein bisschen Kohlenhydrate tanken, aber nicht zuviel, schließlich wollte ich die 12 Stunden morgen auf der Strecke und nicht am Topf verbringen.

Danach umrundeten Carola und ich einmal die Strecke entlang welcher die einzelnen Läufer und Teams schon teilweise ihre Zelte aufgebaut hatten. Die Strecke selbst ging nach Start & Ziel zunächst 500m ziemlich flach dahin, war dann für 150m ganz leicht ansteigend, dann kamen ca. 500m Strecke zwischen zwei Feldern hindurch, eine leichte Bergabpassage bevor es leicht kurvig zurück zu Start & Ziel ging. Insgesamt sah die Strecke sehr einladend aus, allerdings mit wenig Schattenpotenzial.

Nach der Streckenbesichtigung die Premiere - wir bauten unseren Pavillon auf. Eigentlich ein Faltpavillon, welcher somit einfach von zwei Leuten aufzubauen sein sollte. Dies ist auch tatsächlich der Fall, allerdings geht's zu viert noch leichter und dank der Hilfe unserer Zeltplatznachbarn war der Pavillon innerhalb weniger Minuten aufgestellt. Was unsere Nachbarn bewunderten und sich gleich erkundigten, wo wir den Faltpavillon her hatten, denn sie hatten ca. eine Stunde mit dem Aufbau ihres "Stangenpavillons" gebraucht. Das klappte also schon besser als geplant - würde es morgen beim Laufen auch so sein? Jetzt noch den Pavillon so gut als möglich verankern, denn für den Lauf waren Wetterkapriolen (Hitze, Gewitter, Sturm und Regen) angesagt. Damit waren die Vorarbeiten für heute abgeschlossen. Meine Ernährung für die ersten acht Stunden des Laufs - Buffer sowie Gels von UltraSports - hatte ich bereits angerührt und vorbereitet.

"Kommandostand"
Nach einer angenehmen Nacht war samstags um 6h15 Tagwache, damit der Kreislauf bis zum Start um 8h ordentlich in Schwung kommt. Und es war ein herrlicher Morgen. Bereits um 6h herrschten angenehme Temperaturen, die Sonne strahlte und Vogau erwachte ebenso wie zahllose Läufer. Es wurlte fast ein bisschen. Allerdings bedeuteten angenehme Temperaturen um diese Zeit natürlich auch Hitzegarantie am Vormittag. Obwohl ich Hitze ja nicht wirklich mag, ist mir bei einem Ultralauf Dauerhitze aber immer noch lieber als Dauerregen, weil es fürs Drumherum des Laufs einfach viel besser ist. Mehr Zuschauer, Ausrüstung muss nicht dauernd vor Regen geschützt werden und Gewandwechsel entfällt.

Bis zum Start noch die letzten Vorbereitungen: Aufbau des improvisierten "Kommandostands" für Carola und letzte Instruktionen für Carola, wann ich welche Verpflegung brauche.

noch ein wenig Sitzen während der Läuferbesprechung
Um 7h45 dann die Läuferbesprechung mit auch bewegenden Worten - denn schließlich geht es bei dem 12-Stundenlauf in Vogau nicht nur um den Spass der Ultraläufer, sondern es handelt sich in erster Linie um eine Benefizveranstaltung zu Gunsten der Kinderkrebshilfe. Passend dazu auch der Aufdruck auf einem Läufer-Shirt: "Laufe nicht um Dein Leben, laufe für ein Leben!".

Nach der Läuferbesprechung sammelten sich dann die Starter des 12-Stundenlaufs sowie der Staffelbewerbe hinter der Startlinie. Ich schaute mir noch die Labestation bei Start & Ziel an. Diese war prall gefüllt mit allerlei Köstlichkeiten: Brot, Semmeln, Nudeln, Kartoffeln, Reis, Suppe, Müsliriegel, Kuchen, Schokolade, Salzgebäck, Nüsse, Gummibärchen & Saurer Sportgummi, Bananen, Äpfel, Orangen sowie Wasser, Mineralwasser, Cola, helles Bier, dunkles Bier, isotonische Getränke, Red Bull. Bier von Murauer ... hmmmmmmmmm herrlich. Schade, dass ich in Vogau ernährungstechnisch Selbstversorger war und wohl außer Soletti, Bananen, Wasser und im Notfall Cola nichts von der Labe nutzen würde. Andererseits habe ich letztes Jahr in Irdning gelernt, dass ein klarer Ernährungsplan neben der anfänglichen Tempoplanung für mich hoffentlich der Erfolgsschlüssel für den Ultralauf ist.

Start
So reihte ich mich dann im Starterfeld ein und schon fiel auch der Startschuss und das Feld rannte los als würde der Lauf in der ersten Runde entschieden ;). Auch ich begann etwas zu schnell, lief die ersten Runden mit Gerhard Eigner vom Eigner Express (bei jedem Ultralauf anzutreffen, auch die spätere Damensiegerin gehört dazu), musste ihn dann allerdings bald ziehen lassen, da sein Tempo höher als mein Plansoll war. Ich wollte die ersten acht Stunden im geplanten Tempo für den 24-Stundenlauf in Irdning angehen, was für zwölf Stunden eine Kilometerleistung von 110km bedeutete. Trotz der für mich nicht perfekten Bedingungen (strahlender Sonnenschein, Hitze) lief es gut und locker und ich pendelte mich bei einem Tempo von 115km für zwölf Stunden ein. Etwas über meinem Plan, aber vom Gefühl her gut dosiert. Die Hitze erträglich machte auch die tolle Unterstützung des Betreuerteams von David Lilek (Anna & Davids Eltern), welche neben David auch mich und andere Läufer mit eiswassergetränkten Tüchern versorgten. Damit konnte ich sehr gut meinen Kopf herunterkühlen. DANKE! Auch das macht für mich die Faszination des Ultralaufs aus: der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung, damit jeder seine beste Leistung erreichen kann, ist einfach ganz etwas anderes als bei "normalen" Straßenläufen. Ebenso die vielen Bekannten und Freunde, die sich gegenseitig anfeuern. Danke schon an dieser Stelle an David (mein Mentor des Laufs ;-), Gerhard, Poldi, Alex, Pauline, Georg, Heinz, Günter, Anna, Andrea, Josef, Ulli & ihr Team, unseren Zeltplatznachbarn von Pendl & Piswanger, dem Team von dertriathlon.com, den Sängern der Attemsallee und und und. 

Ultraläuferbuffet
So drehte ich schön im Rhythmus Runde für Runde. Nach jeweils fünf Runden gab's eine Erholungsrunde mit etwas mehr Gehanteil, um die Laufmuskulatur auch anders zu belasten. Nach 80 Minuten begann die Verpflegung. Jede zweite Runde griff ich zu meinem angemixten Buffer-Getränk und einmal in der Stunde war Festmahl angesagt mit einem Gel. Dazu noch etwas Soletti/Bananen-Mix um den Magen zu beschäftigen, damit er nicht nur Flüssigkeitstank ist. Dabei half mir Carola enorm, die immer dafür sorgte, dass ein wohltemperiertes Iso-Getränk bereit stand (nicht zu kalt, nicht zu warm), mich mit Salztabletten versorgte und auch meine Rundenzeiten und Kilometerleistung kontrollierte. Ich war also bestens versorgt, konnte mich voll aufs Laufen konzentrieren. Wie von Geisterhand war immer da, was ich gerade brauchte.

© TEAM www.12stundenlauf.at | Kevin Walter
So vergingen die ersten vier Stunden. Mittlerweile hatte mich das Team von dertriathlon.com "adoptiert" und feuerte mich Runde für Runde begeistert an. Ebenso das Team der Attemsallee, die mich immer wieder mit "Allee, Allee, eine Bäume mit vielen Straßen, ja das ist eine ..." pushten. Auch sonst wurde einem auf der Runde nicht fad, wofür drei vom Veranstalter gestellte Bühnen mit teilweise Live-Musik sorgten. Dazu noch einige Musikanlagen der einzelnen Teams. Man wurde also quasi in einer Welle um die Strecke getragen. Das Laufen wurde für mich immer lockerer, denn Wolken zogen auf, die Sonne verschwand. Gleichzeitig bedeutete dies, dass wohl jetzt das angekündigte Schlechtwetter kam. Und bald war es auch so weit. Zunächst noch leichtes Tröpfeln verwandelte sich binnen einer Minute in Starkregen begleitet von Sturm. Um nicht einzufrieren erhöhte ich automatisch das Tempo und drehte meine bis dahin schnellste (letztlich drittschnellste) Runde. Technisch herausfordernd war die Bergabpassage, über welche ein ca. 5cm tiefer Bach rann, was dazu führte, dass es mir fast die mit Wasser vollgefüllten Schuhe auszog :D.


© TEAM www.12stundenlauf.at | Kevin Walter
Währenddessen hatte Carola alle Hände voll zu tun, den Pavillon sowie unsere Ausrüstung vor dem Abflug Richtung Slowenien zu schützen. Als ich nach einer Runde wieder bei unserem Pavillon ankam, wollte ich Carola bei den Rettungsaktionen unterstützen, war dabei aber mehr ein Störelement als Hilfe, sodass Carola mich wieder Laufen schickte ;). Na gut, dafür bin ich ja eigentlich auch da. Nach 30 Minuten war der Spuk dann auch wieder vorbei und es trocknete rasch auf und begann entsprechend zu dampfen. Sehr schön anzusehen, der wabbernde leichte Bodennebel, aber auch schön schwül.

Nach sechs Stunden hatte ich 58.5km zurückgelegt, lag also weiterhin auf Kurs 117km. Und ich fühlte mich gut, eigentlich unbesiegbar für die restlichen sechs Stunden. So erkundigte ich mich bei Carola nach dem Rundenschnitt für ein Ziel von 120km ... und steigerte die nächsten Runden mein Tempo. Ich hatte etwa acht Minuten Rückstand auf die 120km und versuchte nun, diesen Rückstand innerhalb möglichst weniger Runden aufzuholen. Ich erhöhte mein Tempo um etwa 25 Sekunden pro Kilometer. Im Nachhinein: ich hätte 34 Runden Zeit gehabt, den Rückstand aufzuholen, eine Temposteigerung um 9 Sekunden pro Kilometer hätte gereicht. Carola versuchte zwar, mich entsprechend zu bremsen, aber ich war stur :D. Bald musste ich aber erkennen, dass ich wohl übermotiviert war. Das Tempo forderte seinen Tribut. Der Schritt wurde schwerer, auch der Kreislauf zeigte leichte Anzeichen von Schwäche, die Gehpassagen wurden länger, die Knie schmerzten etwas beim Gehen, der Kopf dachte erstmals "und das soll der Körper jetzt noch mehr als vier Stunden aushalten??". Kurz: ich hatte eine Krise. Also Notfallprogramm anwerfen: für den Kreislauf gab's bei der Labe Cola und gegen den süßen Geschmack ein gutes helles Murauer - jeweils nur wenige Schlucke, nicht dass da wer glaubt ich stell mir ein Mass rein (auch wenn ich's gern getan hätte, aber es wäre kontraproduktiv gewesen :D). Zusätzlich noch ein Koffein-Gel und zumindest der Kreislauf erholte sich bald wieder. Mittlerweile stellte sich auch ein leichtes Brennen auf den Fusssohlen ein - ich denke mir nicht viel dabei, ist halt so bei der Belastung und ich ignoriere es einfach. Nach dem Lauf stellte ich fest, dass es sich dabei um ziemlich große Blasen handelt, welche aufgrund der nassen Socken und Schuhe durch das Gewitter entstanden sind. Und wieder habe ich etwas gelernt: beim 24-Stundenlauf nach eventuellem Starkregen Schuhe wechseln. Weil über 12 Stunden geht das wohl gut, über 24 Stunden könnten die Blasen dann echt störend werden.

Der restliche Körper war aber nach neun Stunden wieder einigermaßen beisammen, das kurzfristige Traumziel von 120km war aber natürlich in weiter Ferne. Wobei: eigentlich wollte ich ja eh nur 110km machen und die sollte ich auf jeden Fall schaffen. Aber noch drei Stunden Bewegen war irgendwie keine so tolle Aussicht. Da überrundete mich - glücklicherweise während einer Laufphase von mir - wieder einmal David Lilek und erkundigte sich, wie's mir geht: ich beginne zu jammern ... "naja, schlecht, ich hab's nach 6h30 mit dem Tempo übertrieben und büße jetzt". Seine Antwort: "so lange Du noch laufen kannst, ist es nicht schlimm". Und ja, da hatte er so recht. Ich konnte eigentlich noch locker laufen, das Problem war im Kopf. Also rappelte ich mich wieder auf und war nun auf Kurs, den Lauf mit Anstand zu Ende zu bringen. Zwar nicht übertreiben, damit die Regenerationsphase nach dem Lauf nicht unnötig verlängert wird, aber auch nicht weniger geben.

So drehte ich weiter Runde um Runde, angefeuert von all den mittlerweile lieben Bekannten entlang der Strecke. Und auch Carola spornte mich an. Obwohl mein Tempo die letzten Stunden langsamer wurde, machte ich im Gesamtklassement Platz um Platz gut. So verging auch die neunte Stunde und da waren es plötzlich nur mehr zwei Stunden. Kurzer Klostopp, bei welchem ich allerdings meine Startnummer hängen ließ. Leichte Panik nach 500m, denn ohne Startnummer wird die Runde eigentlich nicht gezählt. Aber umdrehen wäre jetzt auch blöd. Also Runde beenden und bei Start & Ziel meiner Rundenzählerin von meinem Missgeschick berichten. Kein Problem, mittlerweile kannte sie mich ja und wusste wer ich bin. Also nix passiert und wieder was gelernt - am Klo nie die Startnummer vergessen ;).

Wie gesagt standen jetzt noch zwei Stunden am Programm, also praktisch nichts, ein normaler Trainingslauf noch. Auch die Temperaturen wurde wieder kühler, schließlich war es schon 18h abends.

Wind kam wieder auf, der langsam zum Sturm wurde. Zog da wieder Schlechtwetter auf? Carola begann unsere Infrastruktur abzubauen, denn schattig war es mittlerweile, die Sachen waren getrocknet und damit war auch nach dem Lauf weniger zu tun.

Nach 10h30 wieder eine Motivation von David, der mir zu den geschafften 100km gratulierte. Nur noch 1h30. Ich drehte weiter meine Runden. Nach elf Stunden sagte mir Carola, dass ich weiter vorgerückt bin, mittlerweile 9. Gesamt und 3. in der Alterklasse bin und nicht locker lassen soll. Also legte ich noch ein bisschen zu, soweit möglich. Mittlerweile begann es auch wie befürchtet wieder zu regnen. Zunächst leicht, aber stetig zunehmend. Die letzte halbe Stunde "waschelte" es dann so richtig. Aber was soll's, jetzt auch schon egal. Also noch einmal Gas geben, Platz absichern und noch ein paar Meter rausholen.

letzte Runde (© TEAM www.12stundenlauf.at | Kevin Walter)
Noch zwanzig Minuten, ich verabschiede mich von allen Fans an der Strecke, wer weiß ob ich noch eine ganze Runde schaffe. Knapp 11 Minuten vor Schluss überquere ich jedoch wieder die Zielmatte, da könnte sich tatsächlich noch eine ganze weitere Runde ausgehen. Kurz vereinbare ich mit Carola, dass sie mir nach Zielschluss entgegen kommt, um mich mit einer Laufjacke zu versorgen, denn mittlerweile war es doch recht kühl geworden und ich komplett durchnässt. Aber zunächst noch eine letzte Runde. Ich gebe  was der Körper noch kann, "rase" die Strecke entlang, zwänge mich zwischen den Staffeln, die sich auf der Ehrenrunde befinden durch, finde auch bei der versammelten Menschenmenge bei Start & Ziel eine Lücke und schaffe noch die letzte Runde sowie 231 Restmeter und kann mich auf der letzten Runde noch unvermutet vom 7. auf den 6. Gesamtrang verbessern. Glücklicherweise lande ich nach 12 Stunden und 115.49706km neben einem Haus mit einem netten Vordach, sodass ich mich ins Trockene stellen kann. Carola hat nämlich wie vereinbart bei Start & Ziel auf mich gewartet, mich jedoch aufgrund meines etwas unorthodoxen Wegs durch die Menschenmenge übersehen. So musste ich einige Minuten auf die rettende Jacke warten. Dafür kam diese in Begleitung von Penne Carbonara und einem Bier. Das Bier war mir leider etwas zu kalt - ich fror eh schon - aber ein paar warme Bissen Penne waren herrlich. Denn urplötzlich bekam ich Hunger, welcher sich noch wenige Minuten davor überhaupt nicht bemerkbar gemacht hatte.

Altersklasse M30 - 3. Platz
Sehr zufrieden mit dem Lauf war jetzt noch die Spannung da, ob es wirklich zum dritten Platz in meiner Altersklasse gereicht hatte. Dies sollte ich dann endgültig bei der Siegerehrung erfahren. Davor hieß es aber noch Ordnung in unserem Wohnmobil schaffen - wo es mit unserer gesammelten Infrastruktur etwas wild aussah - und duschen. Glücklicherweise ließ der Regen zwischenzeitlich wieder etwas nach, sodass das Verstauen unserer Sachen einfacher wurde. Knapp nach 21h30 begann dann die Siegerehrung, welche zwar überdacht, aber doch im Freien stattfand. Die Veranstalter entschlossen sich daher, die Siegerehrung sehr rasch durchzuführen, auch die offiziellen Reden beschränkten sich auf das Wesentlichste und so wurden würdig aber auch zügig die Ehrungen durchgeführt. Anhand der aushängenden Ergebnislisten stand dann fest: ich wurde tatsächlich noch 6. Gesamt und 3. in meiner Altersklasse und konnte mir damit einen Pokal abholen. Nach der bisher doch etwas verkorksten Vorbereitung ein wirklich sehr schönes Erlebnis, dass mir - vor allem aufgrund der Kilometerleistung - viel Zuversicht für das große Ziel in Irdning gibt.

Nach der Siegerehrung brachen Carola und ich dann noch gegen 23h im wieder strömenden Regen nach Wien auf, da am nächsten Tag am Vormittag im Donaupark der Eybl Frauenlauf über 3 bzw. 6km stattfand, welchen unser Laufverein mitorganisierte und wir daher mithelfen wollten. So landeten wir dann gegen 2h nachts beim wunderschön beleuchteten Donaupark und übernachteten gleich dort im Wohnmobil. Ein langer, aber für mich sehr erfreulicher Tag fand damit ein schönes Ende.

Fazit: Vogau ist wirklich eine geniale, sehr liebevoll organisierte Veranstaltung, bei der einfach alles passt. Ideal für eine 12-Stundenlaufpremiere. Aber auch jedem, der einmal 6 Stunden ausprobieren möchte oder an einer 12-Stunden-Staffel teilnehmen möchte, kann ich Vogau nur wärmstens empfehlen. Weiters scheinen mir 12-Stunden die "Halbmarathon"-Distanz des Stundenlaufs zu sein. Im Gegensatz zu einem 6-Stundenlauf lang genug für das volle Feeling eines Ultralaufs (inklusive der entsprechenden Krisen), aber nicht so ermüdend wie ein 24-Stundenlauf. Also werden 12-Stunden vielleicht wirklich meine neue Ultra-Lieblingsdistanz für "zwischendurch"? Das wird sich wohl noch weisen. Die Verpflegung für den 24-Stundenlauf sollte ich mit UltraSports Buffer und Gel wirklich gelöst haben: auch nach 12 Stunden hat's mir noch geschmeckt und ich hatte keinerlei Verdauungsprobleme. Energielevel war auch stets perfekt, nie ein Hungergefühl. Jetzt gut regenerieren und dann weiter an der Form feilen.

Nächster Stopp: 7. Juni München, nochmals ein 12-Stundenlauf, dieser dann aber wirklich nur über 110km.

Und hier geht noch der Statistik-Freak :D mit mir durch: nach 2h30 kontinuierlich fast nur mehr Plätze gut gemacht.