Sonntag, 3. November 2019

Rundumadum - 130km


Warum erst heuer der Rundumadum, der als Wiener Ultraläufer ja einmal gemacht gehört? Weil der Termin im November bei meist einem Herbstmarathon als Saisonhöhepunkt nicht wirklich reinpasst und mit Rucksack laufen muss man auch - ich hasse mit Rucksack zu laufen! Aber heuer hat mir mein Körper im Sommer klar signalisiert: vergiss das mal mit dem fordernden Training, da spiel' ich nicht mit. Beim Wachaumarathon als Pacer für eine Vereinskollegin hat sich das nochmals bestätigt.

Daher: da kann ich ja die Gelegenheit nutzen und ganz ohne Druck mir den Rundumadum mit seinen 130km und knapp 1.800 Höhenmetern geben. Als wie gesagt bekennender "Mit-Rucksack-Laufen"-Hasser stand allerdings noch die Anschaffung eines solchen Dings an. Mit dem bisher benutzten (ein Tombolagewinn) war das Laufen eine Qual mit Rücken- und Schulterschmerzen und wurde von mir nur "wenn's nicht anders geht" genutzt. Aber irgendwo muss die wenige, aber doch vorgeschriebene Pflichtausrüstung des Rundumadum verstaut werden. Beim Traildog-Shop wurde ich fündig und damit sollte sowohl der Rundumadum machbar sein als auch zukünftig etwaige längere Ultratrainingsläufe abseits der Prater Hauptallee Spaß machen und versorgungstechnisch gesichert sein.

Wirkliche Trainingszeit für den Rundumadum blieb somit aufgrund der kurzfristigen Entscheidung nicht. Die Streckenbesichtigung von der U2-Station Donaustadtbrücke zur Steinspornbrücke, dann Lobau, Gerasdorf, Bisamberg bis zur Neuen Donau (bisschen über 45km) endete ernüchternd - bergab übers Kellergassenpflaster der Krottenhofgasse so richtig schön die Adduktoren zerschossen und dann gerade noch bis zu einem Bus geschleppt. Das kann ja heiter werden, wie soll ich da 130km mit wesentlich mehr Höhenmetern davor (Leopoldsberg, Lainzer Tiergarten) schaffen? Jedenfalls stand fest: die Krottenhofgasse wird beim Lauf bergab gewandert ... und wohl auch noch sonst vieles der Strecke, so wie ich erledigt war.

Dann noch einmal bei einem Long-Jog die Strecke zwischen Gütenbachtor und Liesing belaufen und irgendwann zwischendurch Wienerberg bis Laaerberg. Den Rest sollte ich dann hoffentlich mit GPS-Navigation mittels Uhr und Streckenmarkierung finden bzw. ohnehin kennen.

Am Montag noch ein kurzer Lauf mit dem für Rundumadum gepackten Rucksack. Fazit: der Rucksack muss abspecken, viel zu schwer sind mir die unzähligen Gels, die ich fürs Überleben in der Wildnis verstaut hatte. Also besser leichterer Rucksack und dafür länger an den Labestationen brauchen.

Die Nacht vorm Lauf war kurz mit schlechtem Schlaf, sodass ich um 3h20 direkt froh war, endlich aufstehen zu dürfen. Als Frühstück gab's der Einfachheit halber in der U-Bahn Iso mit Vollkornkeksen und schon war ich im Startgelände. Der GPS-Tracker wurde montiert - und ich hatte ein gutes Exemplar erwischt, kein einziger Ausfall bzw. kein Anruf. Frisch war's, sodass ich schon befürchtete, meine farblich so sorgfältig abgestimmte Kleidungswahl könnte zu optimistisch sein, aber auch das passte beim Lauf dann perfekt.


Und so ging's fast ganz am Ende des Feldes um 5h30 bei tosender Zuschauermenge gemütlich los. Nur nicht zu schnell starten, weil ich konnte nicht wirklich einschätzen, was mich erwarten würde. Die ersten Anstiege rauf zum Leopoldsberg und dann rüber Hameau sowie Lainzertiergarten kannte ich zwar, aber wie das hintereinander und außerdem der Dreihufeisenberg nach knapp 40km wäre ... keine Ahnung. Danach dann noch über 80km ins Ziel, es wird spannend.

(c) www.wien-rundumadum.at
So orientierte ich mich an Martin W. vom ULT Heustadlwasser, der immer ein vernünftiges Anfangstempo wählt. Den Nasenweg rauf zum Leopoldsberg zeigte sich aber klar, wer für den Lauf trainiert hatte und wer nicht. 150m nach Beginn war Martin auch schon nach vorne weg außer Sichtweite. Na gut, hilft nix, die Waden ziehen auch bei meinem - im Vergleich zum Feld um mich herum - gemütlichen Wandertempo. So ging's dann vorsichtig dahin, flach locker laufend, bergauf wandernd. Bergab sehr dosiert, bloß nicht die Oberschenkel beleidigen.


(c) www.wien-rundumadum.at
Dieser Streckenteil im Wienerwald war sehr kurzweilig und nach knapp 2h30 war die erste Labe erreicht. Hier wollte Carola vorbeischauen, leider hatte ich mich mit meiner Zeitschätzung ziemlich vertan und war 50 Minuten (sic!) zu früh dran. So sahen wir uns nicht.

Jetzt kam der mir unbekannte Streckenteil Schottenhof, Steinhof, Dehnepark - eine gute Ablenkung konzentriert dem Weg zu folgen. Nach 32km war der Bahnhof Hütteldorf erreicht, endlich in wirklich bekannter Gegend, jetzt kann ich mich aufs Laufen konzentrieren. Und die Beine waren weiterhin gut, raus nach Auhof plötzlich Kilometerzeiten um die 5:30min/km ... ui, ui, lass' Dir Zeit. Andererseits: so erquickend ist's entlang der Westeinfahrt auch nicht, dass man sich hier Zeit lassen muss.

Am Dreihufeisenberg holte ich Martin wieder ein und gemeinsam ging's zur zweiten Labe bei km47 (ca. 5h20 Laufzeit) beim Gütenbachtor. Iso auffüllen, Gels aus dem Dropbag nachfüllen, ein paar Soletti und weiter. Carola traf ich wieder nicht, da wieder viel zu früh dran.

Nach 53km kurzer Stop bei der Traildog-Labe auf eine Suppe und weiter. Die Beine immer noch extrem kooperativ, weiterhin 5:30min/km wenn's flach war. Für Gel und Trinken gab's immer wieder Gehpausen.

Einsam ging's die Liesing entlang über den Wienerberg zur Per-Albin-Hansson-Siedlung, kurzer Wortwechsel mit Erwin O. und dann war auch schon der Laaerberg erreicht - eines meiner üblichen Trainingsgebiete und Stätte früherer schulischer Laufrunden - wenn der Turnlehrer mal wieder meinte, wenigstens einmal im Jahr "Leichtathletik" wäre interessanter als Fussball spielen :-D. Und auch die dritte Labe bei km72 kam näher - sehr gut, weil ich brauchte schon recht dringend ein WC.

So lief ich dann nach fast 8h Laufzeit in die Labe ein. "Grüß Euch, ich brauch' dringend ein WC, aber könnt ihr mir bitte in der Zwischenzeit meine Flaschen mit Iso auffüllen?" - "Ja klar, WC ums Eck, Iso machen wir." Vielen Dank dem tollen Labe-Personal dafür!

Raus aus der Labe mit noch ordentlich Soletti in der Hand, um essend beim Laufen die Speicher weiter aufzufüllen. Dabei kreuzte eine ärmlich gekleidete Frau, möglicherweise eine Bettlerin, meinen Weg. Sie sprach mich nicht an, doch irgendwie schämte ich mich in dem Moment, was da für uns Läufer alles organisiert wurde, nur damit wir einmal eine Runde durch Wien hirschen können.

So ging es kurz etwas nachdenklich weiter durch Simmering Richtung Lobau ...  die Beine sind immer noch bereit, sub 6:00min/km zu laufen. Freut mich, dass mich mein Körper heute positiv überrascht.

Auf der Donauinsel lief ich dann auf Christoph R. auf und nicht direkt gemeinsam, aber immer +/- 100 Meter entfernt liefen wir durch die Lobau. Nur gemeinsamen Rhythmus brachten wir nicht zusammen.

Nach 86km wurde es dann erstmals richtig mühsam - ein Hungerast kündigte sich an, offenbar doch zu wenig gegessen (oder zu flott gelaufen). Also Tempo raus, Gel rein, Traubenzucker rein und auf die Erholung warten. Da lief Martin wieder von hinten auf mich auf und ich hängte mich an, um die 3 Kilometer bis zur Labe in Begleitung zu absolvieren.

KM 92 (Laufzeit 10h30), nächste Labe. Martin setzte sich jetzt nach vorne ab, weil ich in der Labe länger mit Energievorräte auffüllen beschäftigt war. Ordentlich Cola tanken tat gut. Danach ging's weiter, ich lief wieder auf Christoph auf und dieses Mal schafften wir einen gemeinsamen Rhythmus für zumindest ein paar Kilometer, nach Aspern ließ er mich dann ziehen. So ging's wieder einsam durch die mittlerweile Dunkelheit. Allerdings waren jetzt einige Wanderer von der Halben G'schicht (61km lang, ab der Lobau ident mit der Ganzen G'schicht plus ein Zusatzkringel am Bisamberg) auf der Strecke und so gab's immerhin die eine oder andere Begegnung.

Die Gehphasen wurden immer mehr, die Beine langsam schwer, die unebenen Feldwege im flachen Licht der Stirnlampe teilweise für mich nicht mehr laufbar. Aber auch die vorletzte Labe in Gerasdorf war nach 107km und ca. 12h15 Laufzeit irgendwann erreicht, Martin W. traf ich gerade noch beim Verlassen selbiger, er war weiterhin gut drauf. Einige Zeit ging unmittelbar nach der Labe beim Warten am geschlossenen Bahnschranken drauf - auch egal, nur wurde mir ordentlich kalt. Anlaufen machte es auch nicht wärmer also gleich noch ein kurzer Stopp um die wärmende Regenjacke überzuziehen. Motorisch schon eine kleine Herausforderung. Währenddessen zog Christoph wieder an mir vorbei. Weiter am Marchfeldkanal Richtung Bisamberg, Christoph tauchte vor mir auf, seinem Schein der Stirnlampe kam ich langsam näher. Die letzten Höhenmeter zum Bisamberg ging's wandernd hinauf, Christophs Licht verschwand hinter mir im Dunkel der Nacht. Der Blick aufs nächtlich leuchtende Hagenbrunn war ganz schön, endlich mal Abwechslung zum ewig flachen Dahingetrotte mit Häusern links, Feldern rechts, oder nur Feldern, oder Häusern rechts, Feldern links. Jetzt noch kurz bergab zur allerletzten Labe in Stammersdorf.

Diese lag bei ca. KM 117 (Laufzeit ca. 13h40) direkt an einer kleinen Kreuzung auf einem kleinen Hügelchen - also noch eine zusätzliche Bergwertung um an den letzten Isonachschub zu gelangen. Sind zwar jetzt nur mehr knapp über 12km, aber sicher ist sicher, nochmals einen Liter Iso mitnehmen, weil es könnte ja noch ein Zeiterl dauern bis ins Ziel.

Wie vorgenommen, die Krottenhofgasse am Pflaster jetzt ca. 1km bergabwandernd und am Asphalt wieder langsam mit Laufschlurfen beginnen. Ging halbwegs, die Oberschenkel haben das Pflaster jedenfalls ohne weiteren Schaden überstanden. Wieder ein Stück am Marchfeldkanal entlang zum Ufer der neuen Donau und jetzt geht's dann eigentlich nur mehr geradeaus Richtung Ziel. Ca. 7km noch, eine Zeit unter 16h ist wohl sicher, unter 15h30 könnte sich auch ausgehen. Aber die Beine werden schwerer und schwerer.

Wieder überhole ich Wanderer von der Halben G'schicht, die mich fragen, ob ich die Ganze G'schicht laufe - ja, mach ich. "Wow - Du bist ein Held!" Danke für die Anfeuerung, die tat schon gut! Gleichzeitig denke ich mir, nein, mit Heldentum hat das wirklich nichts zu tun, einfach so für sich 130km zu laufen. Aber für ein Gespräch bin ich zu müde und belasse es beim Denken.

So ging's schnurgerade die Donau entlang, vor mir nichts, hinter mir nichts, der Rhythmus wurde jetzt zu 200m laufen, 100m gehen, mehr war nicht mehr drinnen. KM 127, nur mehr 500m dann geht's endlich von der Donau weg die letzten Meter Richtung Ziel. An der Abzweigung sehe ich Streckenposten stehen und denke mir, wow, tolles Service, dass hier kein müder Läufer die Abzweigung verpasst.

Knapp 50m vor der Abzweigung entpuppen sich die Streckenposten als Carola und ihre Eltern, die mich begrüßen. Die Beine wollen zwar nicht mehr, die Uhr zeigt mir aber, dass sich sub15h20 ausgehen könnten, wenn ich noch ein bisschen laufe. Und 15:1x klingt doch netter als 15:2x, vor allem, wenn nicht so viel mehr Anstrengung dafür nötig ist - doch noch etwas Ehrgeiz vorhanden. Also in Begleitung von Carola noch laufen was geht. Eine letzte Hürde dann der Eingang ins Zielgelände: zwei Stufen sind hinabzusteigen ... auauau. Jetzt nur mehr wenige Meter und dann geht's rein in die Halle und ins Ziel. 15h17 zeigt meine Uhr, Wien ist umlaufen. Ich bin sehr zufrieden und erstaunt, wie unerwartet gut das heute gelaufen ist. Gejubelt hab' ich übrigens am grünen Teppich - davon gibt's nur leider kein Foto ;-)

(c) www.wien-rundumadum.at

Fazit: ein Lauf, der schon einmal gemacht werden musste. Allerdings wird's wohl bei diesem einen Mal und der wunderschönen Erinnerung daran bleiben, denn: so für mich perfekte Bedingungen wie heuer mit Temperatur um die 10°C ohne große Schwankung, kein Wind, kein Regen, kein Gatsch auf der Strecke und auch keinerlei Erwartung hinsichtlich der Zeit wird's so einfach nicht wieder geben - das mit der Erwartung jedenfalls gar nicht. Somit bliebe nur, den Lauf ernsthaft zu priorisieren und dafür zu trainieren. Dafür ist mir dann der Streckenteil ab Liesing mit wenigen Ausnahmen zu monoton, um dafür extra mit Rucksack zwischen Labestationen herumzulaufen. Für Monotonie kann ich gleich meine üblichen Runden bei 6, 12, 24 oder 48-Stundenläufen drehen ... und die schönen Abschnitte habe ich ja eh direkt vor der Haustür für Läufe so zwischendurch.

1 Kommentar:

  1. Hallo Martin, ich bewundere Deine Ausdauer beim "Schreiben" und natürlich auch beim Laufen. Im Großen und Ganzen hast du recht, Bedingungen optimal, Strecke zeitweise monoton. Warum ich Dir schreibe ist deine Rucksack-Allergie: Es gibt hier tolle Sachen z.B. https://nakedsportsinnovations.com/the-vest/
    Ich bekomme nix von denen :-)), bin auch gestern nicht damit gelaufen, aber den spürst du nicht... Ich selbst bin den RUD am Samstag auch mit einem viel zu großen Rucksack gelaufen (Raidlight 10l Responsive) ... naja gibt Schlimmeres :-)))

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