Sonntag, 12. Juli 2015

Spaß in der Hitze - der Bericht vom 24-Stundenlauf in Irdning

PROLOG

10 Wochen nach dem 24-Stundenlauf in Sárvár steht also mit Irdning der nächste 24er am Programm. Ähnlich wie letztes Jahr, aber diesmal ohne erholsamem Urlaub dazwischen. Training hatte ich auch kein Richtiges geplant, aber da ich, wie gesagt, die 10 Wochen in Wien weilte, war genug Potenzial für Schnapsideen und Teilnahmen an Läufen möglich. Wobei: auch wieder ähnlich zu 2014, aber ohne Urlaubserholung.

Von Gols habe ich schon berichtet, dort lief es ja bis auf die Didi-Intervalle, die zerstörerisch wirkten, nicht so schlecht. Am Mittwoch darauf stand dann die Laufmeisterschaft der Wiener Geld- und Kreditinstitute ("Bankenlauf") am Programm. 9,25km im Wiener Donaupark. Mit einem Schnitt von 3:56min/km zog ich mich, denke ich, würdevoll aus der Affäre. Tags darauf mit meinem neuen Hauptbetreuer in Irdning - Christian M. - 2x4000m auf der Prater Hauptallee. Bei den ersten 4000m fanden wir uns nicht, also wuselte ich so für mich in 4:20-4:30min/km in der Hauptallee herum, bei den zweiten 4000m dann in ca. 4:15-4:20min/km mit Christian. Lustig war's, Gesamteinheit 23,5km in 4:36min/km. Juhu, der Körper ist wieder voll da, also meldete ich mich auch noch gleich für den Sri-Chinmoy-6-Stundenlauf Anfang Juni im Prater an, weil die Veranstaltung ist - bis auf die Musik - sehr, sehr fein. Da will ich wieder dabei sein.

Am Samstag dann noch eine Crescendo-Einheit (4x4000m) mit Christian - die ging mir schon etwas an die Substanz.

In der Woche darauf war dann - Überraschung, Überraschung - der Ofen aus. Ich wurschtelte dahin, einen Tag ging das Training besser, anderntags saß ich dann auch mal ein paar Minuten auf einem Bankerl in der Prater Hauptallee und dachte mir "die anderen laufen lassen ist doch auch was Feines, man muss ja nicht immer selbst rennen".

Foto: Sri Chinmoy
Der Sri-Chinmoy-6-Stundenlauf lief aber anfangs ganz gut, doch nach 3 Stunden wurde es mir etwas zu warm und damit zu anstrengend. Außerdem standen nur 6 Tage später die Österreichischen Meisterschaften über 100-Kilometer am Programm, wo ich im Sinne der Mannschaft jedenfalls finishen sollte. Also Tempo rausnehmen und den 6-Stundenlauf irgendwie fertig bringen - nicht so schwer, der Lauf ist ohnehin nach 6 Stunden vorüber. Trotz Worst-Ever-Leistung über 6h mit 66,22km (wenigstens eine hübsche Zahlenkombination) gab's einen netten Geschenkkorb für Platz 2 mit allerlei Bioleckereien - wie z.B. auch Hanfschokolade. Ich habe bis heute noch nicht herausgefunden, ob man die isst oder raucht :-D.

100km, not my day today ...
Foto: Christian Mayerhofer
Der 100km-Lauf in Wien war dann überhaupt ein ziemliches Desaster. Die Beine waren anfangs zwar nicht locker, aber immerhin etwas brauchbarer als die Tage zuvor - das dürfte die Magie der Startnummer und Pentek-Matten gewesen sein -, dafür fing der Magen nach 2h30, wohl auch aufgrund der hohen Temperaturen, zu spinnen an und beschloss, sich mit Durchfall und Magenkrämpfen ins Rampenlicht zu drängen. Aber Aufgeben war nicht drinnen, schließlich hatte ich zwei Vereinskollegen zur Teilnahme animiert, damit wir erstmals als Mannschaft der "LG (Laufgemeinschaft) Wien" an einer Ultra-Meisterschaft teilnehmen. Meine Leistung war unterirdisch und ich schämte mich richtig, ob meiner Darbietung und Schwäche. Ich wollte bei Start/Ziel am liebsten irgendwo ganz weit weg von den Zuschauern laufen, was aber nicht möglich war. Bei Tobias lief es richtig gut und Karsten kämpfte und kämpfte. Innerlich hoffte ich ja, dass einer von beiden vor mir aufhören würde, sodass auch ich mir die Qualen ersparen könnte. Nach außen feuerte ich aber beide bei den Überrundungen an. Karsten gar mit den Worten "mach halt langsamer, aber zieh' für die Mannschaft durch!". Ahhh, ich Masochist :-D (er empfand es wohl sadistisch). Naja, so pendelte ich zwischen Laufstrecke und Mobi-Klo und war nach 10h28 auch endlich im Ziel. Dank der Leistung von Karsten (Platz 3, 8h41) und Tobias (Platz 4, 8h52) und deren hervorragenden Zeiten, konnte sogar ich mit meiner Zeit das Ergebnis nicht mehr ruinieren und so landete "LG Wien" in der Mannschaftswertung auf Platz 1. Juhu, zum zweiten Mal in meinem Leben eine Meisterschaftsmedaille abgestaubt! Klimperding, hurra!

Aber dennoch beunruhigte mich mein Zustand - weil so etwas von fertig, das ist ja nicht normal. Also sicherheitshalber ein Blutbild machen lassen. Soweit alles in Ordnung, nur Eisen, Transferrinsättigung und Vitamin-D-Spiegel im unteren Grenzbereich. Also nicht optimal, aber so schlimm sollte mein Zustand ob dieser Werte auch nicht sein. Dann liegt's wohl doch einfach an zu wenig Regeneration und einem zu dichten Programm seit Sárvár - kann das sein? Ja, ist wohl so ;-)

Somit war ich die drei Wochen zwischen dem 100er und Irdning wirklich brav, gab Ruhe, verzichtete gänzlich auf Kaffee, versuchte auch das Naschen stark zu reduzieren und langsam ging es auch bergauf, wenn auch nicht gerade brüllend. Die Spritzigkeit war jedenfalls definitiv weg, aber die Ausdauerfähigkeit sollte nach über 3.600 Laufkilometern seit Jahresbeginn dennoch vorhanden sein. Also fahren wir nach Irdning und schauen einfach mal was passiert. Locker, frei, aber mit wenig Vertrauen :-). Plan A: vielleicht geht ja doch etwas ohne Erwartung. Plan B: wenn Plan A sich nicht erfüllt, dann werden wir Spaß haben.

HAUPTTEIL

In der Woche vor Irdning konnte ich noch TEASPO Teamsportmarketing sowie Kieninger & Lagler als Sponsoren für den guten Zweck gewinnen - somit war jedenfalls der tiefere Sinn des 24-Stundenlaufs in Irdning erfüllt!



So reiste ich Donnerstag nachmittag nach Irdning und empfand die Ankunft leider als etwas mühsam. Einerseits war's doch schon gut warm in Irdning, andererseits war mein Campplatz noch verparkt, obwohl angekündigt war, dass der Campaufbau ab Donnerstag möglich sei. So streunte ich etwas herum und wartete, dass mein Platz entparkt und frei wird. Das war dann auch um 19h30 der Fall und ich konnte mit dem Campaufbau (=Zelt) beginnen, damit ich am Freitag dann keinen Stress mehr habe, sondern entspannt den ganzen Tag bis zum Start um 19h herumlümmeln konnte.

Noch bei Tageslicht war ich dann mit dem Aufbau fertig - geht dank Faltpavillon ja recht flott - und um 23h im Bett. Die Nachtruhe war angenehm, ich schlief tief und fest, kein Anzeichen von Nervosität und angenehm kühl wurde es auch im Wohnmobil, aber nicht kalt. Zum Laufen würden das in der Nacht dann wohl ideale Verhältnisse werden.

Basislager steht

Mittagessen im spärlichen Schatten
Freitag folgte ich den ganzen Tag dem Schatten des Zelts und lungerte auf der Campingliege herum. Bloß nicht unnötig Energie vergeuden. Trotzdem war es warm genug, dass ich auch beim Nichtstun ins Transpirieren kam. Also fleißig trinken. An schlafen war leider wegen der Hitze nicht wirklich zu denken, Dösen war das höchste der Gefühle.

Nachmittags kamen dann auch Carola & Winfried, hauptsächlich als Staffelläufer, nebensächlich als zusätzliche Helfer des wackeren Einzelläufers und Christian M. als Hauptbetreuer an. Für Christian war's der erste Einsatz als mein Betreuer, allerdings konnte er schon Erfahrung bei der Betreuung von Rainer Predl beim 7-Tage-Laufbandweltrekord sammeln. Die Latte lag also hoch, schließlich gab's bei seinem letzten Betreuer-Einsatz einen Weltrekord :-D. Damit würde ich wohl nicht dienen können, aber bemühen werde ich mich, damit es trotzdem ein Erlebnis für ihn wird. Wurde es denke ich auch, wenn auch nicht ganz wie geplant (Spannungsbogen aufbauen :-) ).

Meine Steuerungsmappe mit diversen Tabellen hatte Christian schon vorab erhalten, so blieb nur mehr die Wohnmobilführung, was wo versteckt ist an Futter. Und wo die Punschkrapfen für die Betreuer sind :-D.

Auch Georg M. - für mich einer der Favoriten für die vorderen Plätze - traf dann ein. Wie im Vorjahr teilten wir uns den Campplatz. Sollte mir das wieder Glück und eine neue Bestleistung bringen?

letzte Vorbereitungen
Jedenfalls hatte sich für mich tagsüber bestätigt, dass eine sehr gute Leistung nur durch viele Kilometer in der kühleren Nacht möglich sein wird. Also wie geplant im Schnitt von 6:00min/km anlaufen und dieses Tempo dann wenn möglich bis 7h früh halten, also in 12 Stunden auf etwa 115 bis 120 Kilometer zu kommen. Keine leichte Aufgabe, aber ich fühlte mich beim Start eigentlich gut und munter. Also auf geht's, wagen wir es.

Los läuft's
Foto: Christian Mayerhofer
Das Einlaufen ersparte ich mir und auch sonst war ich freitags vorm Start noch nicht entlang der Strecke unterwegs gewesen. Daher nutzte ich die ersten Runden, um alle Freunde und Bekannte zu entdecken und Blickkontakt auch zu Unbekannten aufzubauen, die aber so wirkten, als wären sie fit und motiviert, 24 Stunden lang anfeuern zu können. Das funktionierte gut und so hatte ich bald meine persönlichen Fans beim Kreisverkehr, die noch einen Gang mit ihren Kuhglocken zulegten, wenn ich auftauchte.

Und ja, es taugte mir. So mühsam die Ankunft und das Warten tagsüber war, so genial empfand ich nun die Stimmung, aber ordentlich warm war es auch knapp vor 20h abends immer noch. Auch leichtes Kopfweh stellte sich ein. War der Schatten tagsüber doch nicht ausreichend gewesen? Aber mit dann sinkender Sonne, wurde es etwas kühler, damit verschwand auch das Kopfweh und kam auch nicht mehr zurück.

Praktisch überall an der Strecke wurde man von der Stimmung getragen, es gab nur ganz kurze stillere Passagen, die aber auch wohltuend waren, weil 24-Stunden-Dauerdröhnung sind dann auch des Guten zuviel. Die Musikanlagen der Staffelcamps waren aber in diesen Passagen noch leise zu hören, man verlor also nie den akustischen Kontakt.

Betreuer bei der Arbeit
Christian bremste mich und hielt mich an, mit "Hirn" zu laufen. Ja, gut, gut, mach' ich. Ich laufe eh schon langsamer und ich war doch ohnehin nicht so viel zu schnell. Das Tempo pendelte sich dann jedenfalls gut zwischen 7:00 und 7:20 je Runde (=5:45-6:00min/km) ein.

Petra, Betreuerin von Georg
Christian beim Protokollschreiben
Ziemlich durstig war ich von Beginn an und auch hungrig. So begann ich recht früh mit meinem bewährten UltraSports-Buffer als Iso-Getränk, dazu Bananen und Vollkornkekse und nach 1h30 das erste UltraSports-Gel. Das tat gut und von da an hatte ich eigentlich kein Hungergefühl mehr. Ich wurde super versorgt mit etwa 60g Kohlenhydrate die Stunde. Nach der Analyse von Sárvár wollte ich diesmal probieren, wie sich etwas mehr Kohlenhydrate bewähren. Und es funktionierte gut.

Es rollte dahin, irgendwann hörte ich auch, dass ich 9. bin. Fein, bereits in den Top-10, da möchte ich den Lauf wenn möglich auch beenden. Das sollte realistisch sein. So lief ich in die Nacht hinein, verlor jegliches Zeitgefühl. Dunkel war es, aber ich hätte nicht sagen können, ob es jetzt 23h, Mitternacht oder 2h morgens ist. Ich konzentrierte mich immer nur auf die gerade gelaufene Runde.

Die Stimmmung war weiterhin toll. Durch den späten Start waren alle Staffeln noch vollfit neben der Strecke und machten ordentlich Party. Aber ohne Alkoholleichen, sondern auf eine sympathische Art und Weise mit der Begeisterung für den Sport.

Having fun in the sun
Fotos: Bernhard Isker

es läuft ...
Foto: Christian Mayerhofer
Es rollte richtig gut (sagte ich das nicht gerade? *gg*), ich aß und trank wie von Christian verordnet. Auch einen Betreuerwechsel zu Carola und Winfried gab es, den habe ich aber gar nicht mehr richtig im Kopf, wann das war, zu sehr konzentrierte ich mich einfach nur aufs Laufen.

Diesmal versuchte ich auch vermehrt aus Flaschen zu nuckeln, um den Laufrhythmus beizubehalten. Einen Karton für die leeren Flaschen hatte ich ca. 400m nach meinem Campplatz beim Lager von Sir Heinz-Jürgen R. abgestellt, ca. 3 bis 4 Meter von der Laufstrecke entfernt. Das war dann die große Herausforderung, aus dem Laufen heraus mit den leeren Flaschen in den Karton zu treffen. Nun ja, im Verlauf der gesamten Veranstaltung schaffte ich genau einen Volltreffer :-D und beschränkte mich dann bald darauf, die Flaschen nur halbwegs in Richtung Karton zu rollen. Bin halt Läufer und nicht Basketballer.

Team SuBärAndschi
Foto: Bernhard Isker
Kurz vorher kam ich auch immer beim Lager und Team von Andreas R. alias "Subärandschi-The-Finger-Porno-Rosi" vorbei, die mächtig Stimmung machten und mich fleißig anfeuerten. Bernhard I. meistens mit "ma, der Hund schaut locker aus wie am Anfang". Und das Schönste daran: Eigenwahrnehmung und Fremdbild deckten sich zu 100%. Ich fühlte mich so, als würde mich heute nichts mehr stoppen können - immer nur gemütlich und locker weiter.

Moderator Peter
So lief ich dahin, war mittlerweile glaube ich auch 6. als ich dem tollen Moderator der Veranstaltung Peter Wundsam (der übrigens auch sehr nette Lauftechnikseminare anbietet) ersuchte, mir zwecks Motivation auch keine Kilometerstände zu sagen bevor ich bei 190km wäre. Weil ich wollte nie rechnen sondern immer nur von Runde zu Runde denken. Er kannte sich aus und von da an bekam ich auch meine persönliche Moderation: "hier kommt Martin, dem ich keine Kilometer sagen soll." :-D

Während ich mich verpflege überrundet mich Georg M. und wir laufen gemeinsam von unserem Campplatz wieder los. Er ist interessanterweise trotz Überrundung in meinem Lauftempo unterwegs - ich scheine wohl meine Sekunden beim Verpflegen liegen zu lassen oder er muss weniger oft in den Busch, um die Getränke wieder los zu werden. Wie auch immer, wir laufen jetzt nebeneinander dahin, jedes Mal, wenn ich vorlaufen möchte, erhöht aber auch Georg etwas das Tempo. Bevor wir uns beide ins Verderben laufen, bleibe ich dann lieber hinter ihm, auch wenn's mir unangenehm ist, immer nur hinten drin zu hängen.

So geht das einige Runden dahin und das Laufen so in Gesellschaft, auch wenn wir wenig reden und uns aufs Laufen konzentrieren, ist wunderbar. Dann ist wieder mal Verpflegung angesagt, dieses Mal gibt's dunkle Schokolade. Und dann passiert etwas Komisches: ich laufe wie jede Runde die leichte Rampe und Rechtskurve am Ende vom "Dörfl"-Gelände runter und habe plötzlich in der nachfolgenden Ebene das Gefühl ins Keuchen zu kommen. Ich muss kurz mein Tempo reduzieren und in der nächsten Sekunde macht der rechte Oberschenkel vorne komplett zu und ich kann nur mehr gehend weiter. Georg ist natürlich dahin und ich frage mich, was denn jetzt los ist. 8h34 lief es bisher genial, 84km habe ich hinter mir und jetzt das???

Naja, nicht die Nerven weg werfen, so etwas hatte ich in Sárvár 2014 ja auch in etwa, also zunächst gehen, immer wieder anlaufen versuchen und schauen, wann der Oberschenkel wieder will. Für den Moment geht aber mal gar nix. Jegliche Elastizität im Oberschenkelmuskel vorne ist weg, der Bodenkontakt prellt gefühlt ohne Dämpfung in die Hüfte durch. Das schmerzt ziemlich!

Die nächsten zwei Stunden ist damit Wandertag angesagt in der Hoffnung, dass ich mich muskulär erhole. Nach 10h30 sind tatsächlich wieder Laufeinlagen auf den ebenen sowie leicht ansteigenden Passagen möglich, bergab muss ich aber gehen, dort sind die Oberschenkelschmerzen zu stark. Auch das Laufen selbst ist alles andere als locker.

Tagesanbruch
Mittlerweile hat es längst gedämmert, die Sonne kommt raus, aber es ist noch kühl. Die Temperaturdifferenz ist sogar so groß, dass der Atem der Läufer sichtbar ist und auch leichte Nebelbänke über das Gelände wabbern. Eine tolle Stimmung für wenige Minuten. Denn dann erwärmt die Sonne Irdning gnadenlos.

Ich habe keine Ahnung wie weit ich bisher gekommen bin (die oben genannte Kilometerangabe habe ich nur retrospektiv der Zeitnehmung entnommen), aber gefühlt lief es mittlerweile nicht mehr gut.

ein paar Laufschritte fürs Foto
Foto: Christian Mayerhofer
Nach 12 Stunden, also um 7 Uhr in der Früh, finde ich es schon sehr "angenehm" warm und bald würde es richtig heiß werden. Daher checke ich nun mit Christian, wo ich liege. 86 Runden, 104,6 Kilometer hatte ich nach 11h53 absolviert und eine Klopause war nötig. Während dieser konnte ich rechnen, dass mit der Regel für den Optimalfall, dass ich in der zweiten Hälfte 20 Kilometer weniger als in der ersten schaffen würde, in etwa 105km + 85km = 190km möglich wären. Ein schönes Ergebnis, aber keine Bestleistung und angesichts der zu erwartenden Hitze würde es ein wahrer Kampf werden mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Will ich mir das zumuten? Der Körper war (siehe Prolog) ohnehin die letzten Wochen nicht wirklich fit und ein voller Kampf würde wohl eine seeeehr lange Regenerationsphase zur Folge haben, wenn ich mich nicht sogar mit ein wenig Pech längerfristiger schädigen würde und damit eine Herbstsaison abschreiben könnte. Daher stand mein Entschluss fest: ich mache natürlich weiter, aber ich "laufe" nicht am letzten Zacken, sondern etwas gebremster. Wobei von Laufen zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr die Rede war.

Badetag ohne Strand
Foto: Christian Mayerhofer
Nach der etwas längeren Pause um die 12 Stunden herum, wanderte ich wieder los und versuchte in die Gänge zu kommen. Viele Mitstreiter waren ebenso schon platt und daher hatte ich viele Gesprächspartner auf der Strecke, was sehr nett war. Endlich hatten wir Zeit, uns ausführlich zu unterhalten, weil vorm Lauf ist jeder noch mit den Vorbereitungen beschäftigt, nach dem Lauf sind wir alle meist zu müde und fertig und während des Laufs trifft man sich zwar schon immer wieder, aber hat doch nur wenige Minuten bevor sich aufgrund der Tempowahl der eine oder andere wieder nach vorne/hinten verabschiedet.


Wandern mit Sir Heinz
Foto: Christian Mayerhofer
Irgendwann motivierte ich auch Sir HJR, eine Runde mit mir zu wandern. Bald gesellte sich dann auch Hubert M. zu uns und so wurden wir mehr und mehr in unserer Wandergruppe und marschierten dann teilweise zu siebt oder acht um die Strecke. Immer schön in Zweierreihe, damit wir die schnellen Staffelläufer nicht behinderten. Ja, wir Einzelläufer nahmen Rücksicht auf Euch: einigen von Euch war leider eine 5 Zentimeter engere Linie überlebenswichtig um beim Kampf um die goldene Mega-Staffel-Ananas auch wirklich die letzten 2 Zehntel pro Laufrunde herauszuholen. Nicht, dass es bei uns Einzelläufern nicht auch letztlich um die goldene Ananas geht - wir alle leben schließlich nur einen Teil unseres Lebens für, aber nicht von unserem Sport -, aber die Verletzungsgefahr, wenn ihr dann doch einen erschöpften und angeschlagenen Einzelläufer zu Sturz bringen solltet, ist um vieles höher als im Normalfall, weil die Reflexe und Muskelkraft bei uns einfach nach 16 und mehr Stunden nicht mehr so vorhanden ist. Dafür müsste es aber wahrscheinlich wesentlich mehr Streckenposten geben, die dann bei rücksichtslosen Überholmanövern auch wirklich radikal eine Laufrunde der jeweiligen Staffel streichen. Ich denke, mit so einer Drohung würden die Staffeln deutlich mehr Rücksicht nehmen - wenn schon das sportliche Verständnis a priori nicht gegeben ist.

Gruppenwandern
Fotos: Christian Mayerhofer
Massage "Mach's Dir selbst!"
Foto: Christian Mayerhofer
Naja, wie auch immer. Jedenfalls hatten wir unheimlich viel Spaß. Vieles davon zu schildern ist schwer, da es eine Mischung aus Situationskomik gepaart mit dem Geist von übermüdeten Ultraläufern war. Besonders faszinierend war für uns natürlich die Teststation von Vibrationsmassagegeräten mit dem Slogan "Mach's Dir selbst!". Diese waren ein Zwittergerät aus Nudelwalker und Schleifgerät, wobei man sich damit eben selbst traktieren konnte/musste. Auch stellten wir diverse Überlegungen an, ob denn das Rennen wohl beendet werden würde, wenn wir es schafften, alle Einzelläufer in unserer Wandergruppe zu versammeln. Auch Details über das handwerkliche Geschick so manchen Ultraläufers erfuhr ich - aber dies unterliegt der ultralichen Schweigepflicht :-).

Die Runden vergingen wie im Flug und noch nie war gehen so lustig und machte so viel Spaß. Zeitweise überlegten wir allerdings, warum wir nicht auf eine Alm raufwandern anstatt in Irdning unsere Runden zu drehen. Aber wir blieben dann doch auf der uns lieb gewordenen 1.217,75 Meter-Strecke. So entstand aus einem bei den meisten eher verkorksten Lauf eine tolle Gruppendynamik. Und jene, die den Lauf noch ernst nahmen, unterstützten wir zeitweise, indem wir sie gehend wieder auf die Strecke brachten bis sie wieder ins Laufen kamen. Wohl teilweise motiviert, durch Laufen unserem Gebrabbel zu entkommen :-D

Hoch über Irdning
Fotos: Christian Mayerhofer

Nein, kein Foto beim Gehen
Foto: Hans Newetschny
Während der Wanderung spricht mich auch ein Vertreter des Lions Club an, denn ich konnte im Vorjahr dank meiner Unterstützer wieder die meisten Spenden eines Einzelläufers im Rahmen des 24-Stundenlaufs aufstellen. Damit konnte in der Region wieder viel Leid durch den Lions Club gelindert werden. So wurden spezialgefertigte Mobilitätshilfen finanziert oder Therapiemaßnahmen unterstützt. Für mein Engagement würden sie mich gerne nach dem Lauf kurz ehren. Ja, das würde mich freuen und ich vereinbare, dass wir uns um ca. 18h Näheres ausmachen, wie es mir geht, ob ich vielleicht doch wieder ins Laufen gekommen bin und etwas Ruhe brauche oder es gleich nach dem Einlauf möglich ist.

Dann muss ich aber wieder etwas pausieren um den Kopf zu kühlen, weil es wurde heißer und heißer. Im Schatten hat es sicherlich schon an die 35 Grad, am Asphalt gefühlt über 40. Und auch kein kühlendes Lüftchen. Aber dann geht's wieder weiter mit dem Wandertag unter Freunden. Immer eine Flasche mit kühlem Wasser in Hand für innerliche und äußerliche Erfrischung.

Motivation Samstag nachmittag
Fotos: Christian Mayerhofer
Nach etwas über 20 Stunden dann die nächste Pause zum Kühlen. Der Schatten beim Zelt reicht nicht mehr, es ist zu warm, die Luft steht. Daher verlagere ich mich in den Schatten der meinem Campplatz nahen Gebäude und hoffe dort auf etwas Luftbewegung. Christian holt mir inzwischen einen Eisbeutel.

Aber leider wird es auch mit dem Eis nicht besser. Ich bekomme eine Art Fieberanfallgefühl und glühe. Mit Christian gehe ich zu den Dusch-/Umkleidekabinen. Dort ist es zwar etwas kühler und ich lege mich auf eine Liege, aber jetzt beginnen die Fingerspitzen zu kribbeln und gut aussehen dürfte ich dem besorgten Gesicht von Christian nach zu urteilen auch nicht.

Also hilft nix, gehen wir zu den Sanis. Im Gegensatz zu 2013 immerhin auf eigenen Beinen. Also alles nicht so schlimm. Carola und Winfried sind derweil bei ihrem vierstündigen Staffeleinsatz, bekommen also gar nix mit und ich will sie auch nicht beunruhigen. Sie sollen sich auf ihren Lauf konzentrieren. 

Im Sanizelt die übliche Prozedur: Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung, Puls, Blutzuckermessung. Angenehmer als in der Umkleidekabine ist es aber im Sanizelt auch nicht, denn dieses ist einfach nur ein Zelt im Freien ohne Ventilator, wo sich durch die Sonneneinstrahlung auch die Luft staut und es um nichts kühler ist als draußen. Es ist sogar noch stickiger.

Ich erzähle meine Vorgeschichte (siehe Prolog), damit die Anamnese komplett ist, also vor allem zu meiner Sicherheit die Erwähnung, dass mein Eisenspiegel vorm Lauf eher niedrig war und ich Eisentabletten dagegen nehme. Frage der Ärztin: aha, warum das? Haben Sie Blutungen? Nein, ich habe einfach nur etwas zu viel gemacht seit Ende April und zu wenig regeneriert.

Die Ärztin macht jedenfalls ein skeptisches Gesicht und entscheidet sich für eine Glucoseinfusion. Ja, das wird wohl gut tun. Eis auf die Stirn bekomme ich auch vom Sani, worauf dieser von der Ärztin angeherrscht wird, dass das Eis in den Nacken gehört.

Die Infusion wird von der Ärztin gesetzt, auch dabei gibt der Sani ihr aber nichts wie von ihr gewünscht. Orangensaft soll ich übrigens trinken, haben sie aber nicht im Sanizelt. Keiner hat jetzt eine Idee, wie man dieses Problem lösen könnte. Also macht sich Christian auf den Weg zur Labe, um Orangensaft aufzutreiben.

Währenddessen erzählt mir die Ärztin, dass mein Freund ja auch gerade erst wegen eines Sonnenbrands verarztet wurde. Für mich klingt es, als ob da jemand große Brandblasen hatte. Ich kenne mich nicht aus. Welcher Freund? Christian kann sie nicht meinen, der schaut ganz normal aus. Doch, doch, der Freund mit der Glatze, der gerade weggegangen ist. Aha, naja, ich weiß von nix, muss ich später mit ihm reden.

Irgendwann wird den Sanis von der Ärztin auch erklärt, dass sie ordentlicher arbeiten sollen, denn "sie sind hier ja Fachkräfte und keine Tschuschen". Da musste ich einmal schlucken. Ein ganz schön rauer Umgangston hier in der Steiermark :-((( ... Mir fehlte leider die Courage und Energie, um klare Worte zu finden, dass sie solche Aussagen bitte unterlassen solle. Ich fühlte mich aber zunehmend unwohler im Sani-Revier. Hoffentlich wird's da nicht schlimmer als vorher.

Christian war mittlerweile mit Fanta und einem Energy Drink zurück. Energy Drink ist laut Ärztin ein großes No-go wegen des Koffeins, Fanta ist in Ordnung. Allerdings hängt meine linke Hand am Pulsoxymeter, mein rechter Arm wird infusioniert und wie jetzt im Liegen trinken? Ich werde um etwa 38 Entwicklungsjahre zurückgeworfen und darf aus dem Flascherl das Fanta nuckeln. Das tut gut.

Meine erste Infusion habe ich auch schon ausgezuzelt. Währenddessen unterhalte ich mich mit der Ärztin, was soll ich auch sonst viel machen. Ich erkläre, dass ich heute ohnehin nur auf Sparflamme unterwegs bin, weit weg von meiner Bestleistung und es einfach heiß ist.

Zu meinem Programm seit Sárvár kommt dann plötzlich die Frage, warum man das eigentlich macht und ob ich Depressionen davon laufe. Da war ich baff und sprachlos. Was sagt man da, etwas übermüdet, im sticken Zelt und mit leichten Fiebergefühl Vernünftiges darauf? Ich versuche es sachlich: Irdning ist eine der fünf Stationen des Ultralauf-Cups. Mein Ziel ist, heuer bei allen fünf zu starten, wobei ich nicht alle voll laufe.

Ahja, und ihre Gesundheit? Um die kümmere ich mich ohnehin, deshalb habe ich heute auch nicht voll hingehalten bis zum Äußersten und war auch beim Arzt fürs Blutbild. Aber das zählt nicht. Was sind Sie denn von Beruf? Hm, soll ich jetzt etwas erfinden oder die Wahrheit sagen? Ich bin zu müde zum Erfinden, also Augen zu und durch: "Risikomanager bei einer Bank". Das war der Brüller des Tages ... der Herr Risikomanager, aber das eigene Risiko nicht managen können, brüll-lach-hahahaha. Jaja, danke, reicht schon, sehr lustig.

Und dann legt sie so richtig los: ich solle mal zu einem Sportmediziner gehen, mir Trainingspläne schreiben lassen, weil die gibt's für so etwas, sie kennt sich da aus, sie ist selber Sportärztin, Militärärztin (und noch einiges mehr) ... Wenn sie so viel Verständnis für Sportler hat, dann frage ich mich allerdings, warum sie mir zuerst Depressionen unterstellte.

Wobei Depressionen sicherlich ein ernstes Thema sind und ich für mich auch schon oft meine Motivation zum Laufen hinterfragte und was mich dabei antreibt. Dabei kam ich für mich zum Schluss, dass für mich wohl eher ohne Laufen die Gefahr bestünde depressiv zu werden, weil das eben mein großes, leidenschaftliches Hobby ist, für das ich mich begeistere und wo ich viele liebe Freunde gefunden habe. Nebenbei kann ich durch meine Leidenschaft und die Unterstützung meiner Sponsoren auch immer wieder anderen helfen.

Glücklicherweise macht mich auch mehrheitlich mein Beruf zufrieden, allerdings ist der Sport jener (Leistungs-)Bereich, wo wirklich nur ich selbst über meine Leistung und den Erfolg bestimme - ohne jegliche externe Einflussfaktoren (gegeben die Situation einer im Schnitt 45-Stunden-Arbeitswoche und der daraus möglichen oder nicht möglichen Regenerationsphasen). Außerdem hat mich das Laufen sicherlich zu einem gesünderen Menschen gemacht. Es ist nur schade, dass eine Ärztin einen dann bei einem Ultralauf-Event in eine Schublade steckt, nur weil man einen Sport betreibt, der vielleicht etwas aus der Norm ist, dafür aber auch mit der entsprechenden Vorbereitung verbunden ist und sicherlich nicht als spontane Idee eines Mid-Life-Crislers. Und hätten unsere Vorfahren nie etwas außerhalb der Norm gewagt, würden wir wohl immer noch in Höhlen wohnen ...

Aber soll ich das jetzt mit ihr debattieren? Nein, ich zuzle meine zweite Infusion leer und dann weg von hier. Jetzt wird auch der Blutzucker zum zweiten Mal gemessen, den Ergebniswert kann ich nicht einordnen, aber er dürfte sich nicht so rasch erholen wie erwartet. Ich soll mich aufsetzen. Das mache ich ganz langsam, damit sich der Kreislauf von der langen horizontalen Position in die vertikale anpassen kann. Aufgrund der Wärme im Zelt sehe ich in der Ferne nicht gleich ganz scharf. Dummerweise sage ich das, dass ich mich beim Fokussieren etwas anstrengen muss.

Tja, mehr hatte ich nicht mehr gebraucht. Sofort kommt (teilweise wörtlich, teilweise sinngemäß): Aus jetzt, wir fahren ins Spital. Woher sind Sie? - Wien. - Gut, dann fahren wir nach Rottenmann, da kann Sie ihr Freund morgen bei der Heimreise abholen. - Was??? Nein, also erstens brauch ich sicherlich kein Spital, mir geht's schon besser und über Nacht ist sicherlich auch nicht nötig. - Nein, das Risiko übernehme ich nicht, wir müssen ihren Kaliumspiegel messen, da kann vieles nicht passen, das kann zum Kreislaufversagen führen. - Jetzt dramatisieren Sie aber. Vor zwei Jahren war ich auch bei der Infusion, da ging's mir wesentlich schlechter und da war auch kein Spital notwendig. - War ich da die Ärztin? - Nein (und denke mir, ich hätte jetzt gerne den Arzt von vor zwei Jahren). - Na, sehen Sie, ich übernehme das Risiko nicht.

Also gut, dann fahren wir von mir aus ins Spital, sie lässt sich ohnehin nicht davon abbringen. Aber könnte ich bitte wenigstens noch Geldbörse und Handy haben. – Ja, wenn Ihr Freund schnell macht.

Christian sprintet los um mir Handy und Geldbörse zu holen. Währenddessen werde ich ins Rettungsauto verfrachtet. Übrigens sehr angenehm mit ziemlich ermüdeter Muskulatur fixiert auf der Krankenliege angeschnallt in voller Streckung transportiert zu werden. Glücklicherweise bekam ich keinen Krampf davon. Dann die Frage, ob sie eh mit Blaulicht fahren können, weil dann sind sie schneller wieder zurück. Ja, können sie schon, aber bitte nur so schnell, dass wir heil in Rottenmann ankommen, weil nur wegen der Übervorsicht der Ärztin will ich nicht, dass mir bei einem Unfall noch etwas wirklich Ernsthaftes passiert. Dann wollen sie auch schon losfahren ... haaalt, ich brauche bitte noch Handy und Geldbörse. Und meine Schuhe, die sie mir mittlerweile ausgezogen haben, wären auch noch fein. Nein, die soll Christian dann mitnehmen, die finden sie jetzt nicht :-OOOO.

Christian kommt mit Handy und Geldbörse und los geht die Fahrt nach Rottenmann. Christian soll dann mit dem Auto nachkommen, muss sich aber erst den Weg über die Laufstrecke organisieren. Der Arme: als Exilsteirer mit Wiener Kennzeichen wird er dabei natürlich auch von einigen "verständnisvollen" Läufern angepöbelt. Liebe Leute, so eine Aktion macht keiner freiwillig!

Wieder zurück im Rettungsauto: nach der ersten gröberen Erschütterung bei der Überquerung des Bahnübergangs erbitte ich eine Reduzierung der Geschwindigkeit. Wird gemacht. Die Sanis sind so weit eh sehr nett nur glaube ich auch schon etwas erschöpft von ihrer Chefin.

Mittlerweile sehe ich übrigens trotz verkehrt zur Fahrtrichtung liegend und Kreisverkehren wieder komplett scharf und schwindlig wird mir auch nicht. Also von mir aus könnten wir jetzt wieder zurückfahren :-D

Im Krankenhaus angekommen, möchte ich gerne selbst aussteigen, das ist aber nicht vorgesehen und ich werde mit der Trage bis in den Behandlungsraum gebracht. Da darf ich dann von der Rettungsautoliege runter und gehe gleich mal aufs WC. Die Infusion hat gewirkt, ich bin wieder ordentlich hydriert und fühle mich auch sonst sehr gut. Nach dem WC-Ausflug behende rauf auf den Untersuchungstisch. Das Pflegepersonal und der aufnehmende Arzt schauen auch schon etwas verwundert, was ich denn im Spital mache.

Trotzdem bekomme ich meine dritte Infusion und eine Blutabnahme. Auch meine Anamnese darf ich wieder erzählen (nicht, dass ich das nicht im Sanizelt sowie im Rettungsauto schon zweimal erzählt hätte), aber gut, mittlerweile habe ich die Geschichte gut drauf :-)

Christian hat auch schon das Krankenhaus erreicht - mit meinen Schuhen!

Soweit passt alles, keine neurologischen Ausfälle, nur kühl ist mir noch immer nicht wirklich, weil die Räume alle ungekühlt und warm sind. Währenddessen kommen noch ein oder zwei weitere Fälle aus Irdning – die Ärztin scheint fleißig einliefern zu lassen.

Ich bin dann so weit fertig und warte, dass meine Infusion leer wird ... dann brauchen sie leider den Ambulanzraum und legen mich in ein Krankenzimmer. Puh, da drinnen hat’s mindestens 25 Grad, geschlossene Fenster, stickige Luft und drei ca. 80jährige im Zimmer, die leider eher dahin siechen - kein Wunder, würde mir nach einem Tag in der Luft wohl auch so gehen. Ein vierter ist mobiler und möchte mir gleich seine Krankengeschichte erzählen.

Ich bin übrigens immer noch in meinem Laufgewand, also wohl auch alles andere als wohlduftend. Ich frage daher, ob mein Bett vielleicht auf den etwas kühleren Gang geschoben werden könnte. Geht leider nicht, aber sobald meine Infusion fertig ist, soll ich läuten, dann werde ich abgestöpselt und kann raus.

Endlich ist die Infusion fertig, ich darf mich raussetzen, muss allerdings noch auf den Blutbefund warten. Warten warten warten ... anstatt dass Christian jetzt das große Finale in Irdning erlebt, wo die Stimmung noch einmal so richtig hochkocht, hockt er jetzt hier mit mir im LKH Rottenmann und wir erzählen uns Schwänke aus unserem Leben und ich erfahre auch die Geschichte zum Sonnenbrand: als Christian mir in meiner letzten Kühlpause den erwähnten Eisbeutel bei den Sanis holte, sagte ihm ein Sani beim Weggehen, dass er ziemlich rote Schultern habe, sich einschmieren sollte und er aber ohnehin etwas da hätte. Also liess sich Christian einschmieren und wollte gehen. Das war aber nicht so ohne weiteres möglich, denn das war jetzt ein Versorgungsfall und musste aufgenommen werden. Also die Einsatzstatistik von Irdning würde mich interessieren, wenn da Verarztungen so zustande kamen.

Endlich ist der Blutbefund fertig und zeigt erhöhte Leberwerte – aus meiner Sicht kein Wunder bei der Anstrengung und der Tatsache, dass ich auch seit über 30 Stunden wach bin. Vor Irdning war beim Blutbefund noch alles in Ordnung. Aber der Arzt bietet gleich eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums an. Nein, danke, das bespreche ich dann nächste Woche mit meinem Hausarzt, aber jetzt würde ich gerne gehen, weil ich fühle mich eh schon gut. Naja, aber gehen sie wirklich zum Arzt. Jajaja, mach ich. Schönen Abend noch!

Ah, endlich erlöst. Runter zum Auto von Christian und Rückfahrt nach Irdning. Im Auto dreht Christian die Klimaanlage auf und erstmals seit Stunden ist es endlich kühl. Da kommt Christian und mir gleichzeitig die Erkenntnis: ich hätte mich wohl mit einer Flasche UltraSports Buffer einfach nur 20 Minuten ins klimatisierte Auto setzen müssen und es wäre mir wieder gut gegangen. Naja, auch beim mittlerweile zehnten 24-Stundenlauf wieder etwas Neues für die Checkliste gelernt. Weil in so einer Situation sind dann Läufer und Betreuer doch auch so übermüdet und angespannt, dass man an diese Möglichkeit nicht denkt.

Um knapp vor 20h sind wir dann endlich wieder zurück in Irdning, die Siegerehrung ist in vollem Gange. Wir suchen Carola & Winfried, um uns zurückzumelden. Denn das leere Zelt hatten sie in der Zwischenzeit bemerkt und ich konnte Carola auch kurz aus dem Spital Bescheid geben, allerdings war mein Handyakku schon ziemlich leer gewesen, sodass für Details keine Zeit war.

Christian war leider um die Emotionen der letzten Stunden gebracht worden und hatte nur Hektik am Ende erlebt. Aber das holen wir noch einmal nach und bringen einen 24-Stundenlauf richtig zu Ende, wenn Du Dir das noch einmal mit mir antust, mein Freund!

Auch die Lions Ehrung fällt natürlich aus. Dafür finde ich aber an meinem Campplatz eine Flasche Sekt mit ganz lieben schriftlichen Grüßen! Danke herzlichst!

FAZIT

Nach vier erfolgreichen 24-Stundenläufen mit kontinuierlicher Steigerung war's diesmal mit nur 141,259 Kilometern wieder ein Bauchfleck. Aber einer, den ich wegen des Spaßes, den ich nach 12 Stunden bei meiner dann folgenden 8-stündigen Wanderung hatte, nicht missen möchte. Liebe bekannte und (noch) unbekannte Ultralauffreunde, -betreuer, -fans: ihr macht auch ein Desaster zu einem tollen Erlebnis, an das man gerne zurück denkt! Und tiefster Respekt für alle, die ihr Ding trotz der Bedingungen bis zum Ende durchgezogen haben und ihre Ziele erreichen konnten! Ganz starke Leistung!

Hinsichtlich der Beginnzeit von 19h weiß ich immer noch nicht, ob ich diese gut oder schlecht finde, wahrscheinlich sehe ich es am ehesten neutral an. Einerseits ist man natürlich sehr lange auf und kann vorm Start auch nicht wirklich schlafen. Andererseits habe ich von der Müdigkeit eigentlich nichts gespürt und die Stimmung in der Nacht war um Welten besser als bisher.

Nachteilig war sicherlich, dass es auch am Freitag tagsüber schon sehr warm war. Vor allem, da ich im Wohnmobil anreise und kein kühles Hotelzimmer habe, ist das eher ein Nachteil für mich.

Wenn das Wetter aber nicht so heiß ist, dann halte ich einen Abendbeginn für mich durchaus auch für machbar. Nichtsdestotrotz finde ich 10h oder spätestens 12h Start immer noch optimal.

Die Party-Idee nach dem Lauf war sicherlich gut gemeint und gedacht, entwickelte sich aber nicht so richtig, weil die meisten zu fertig zum Feiern waren. Und den Musikgeschmack sollte man eher dem Zielpublikum (und Alter) der Ultraläufer anpassen - also bitte Cover-Bands mit 70, 80 oder maximal 90er-Jahre-Musik und nicht Disco-Hip-Hop für 19jährige :-), wo jedes Lied gleich klang. Also so ähnlich wie bei den Dire Straits (oder Herbert "Mensch, ach, Mensch" Grönemeyer), nur anderer Stil :-D

Hinsichtlich der Betreuung war's wie immer perfekt und nachdem ich dieses Mal auch klar kommunizierte, dass ich um die 60g Kohlenhydrate in der Stunde brauche, war ich auch nie energetisch unterversorgt. Der Magen spielte auch brav mit.

Und da ich mir mein eigenes Cola mitgebracht hatte, war auch die Labe kein Problem für mich :-P (Insider-Schmäh: in Irdning gibt's ein speziell tolles Cola eines Sponsors, das aber nicht jedermanns Geschmack trifft) ... aber ich bin froh, dass das Cola-Problem nicht nur bei mir eines ist, sondern einige im Läuferfeld betrifft :-D.

Jetzt heißt's regenerieren so gut und rasch es geht, einen Start in Prambachkirchen beim 12-Stundenlauf gut abwägen, ob sinnvoll oder nicht und im Herbst geht es wohl in Richtung Marathon.

Der nächste 24-Stundenlauf steht dann voraussichtlich erst wieder 2016 am Programm, wobei ich übrigens vernommen habe, dass in Sárvár die Strecke neu asphaltiert werden soll, was natürlich ein Traum wäre! Vielleicht spricht das ja auch einige von Euch an und wir starten mit einer großen Gruppe Ösis (und gerne auch mit unserem aller Berliner Lieblingsultrapiefke :-) ) Ende April in Ungarn.

EPILOG

Achja: an mein ärztliches Abenteuer habe ich auch noch eine Woche nachher ein kleines Andenken. Offensichtlich wurde die Einstichstelle der Infusionsnadel nicht ausreichend sterilisiert, wodurch sich eine leichte Venenentzündung entwickelt hat. Nicht weiter schlimm tagsüber, nur nachts, wenn ich mit abgewinkeltem Arm schlafe, beginnt es in der Ellenbeuge zu schmerzen, sodass ich immer wieder aufwache. Aber das klingt hoffentlich auch bald ab.

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