Die Form für einen Marathon also gefühlt so gut wie noch nie, die Erwartungen somit doch recht hoch. Sub3 sollte möglich sein, persönliche Bestleistung (also unter 3:03:31) müsste eigentlich jedenfalls drinnen sein. Ausnahmsweise gab es auch keinerlei Verletzungsprobleme im Vorfeld. Aber dann: am Mittwoch bei den letzten 5x1km im Marathon-Tempo mit 1km Trabpause schon etwas schwere Beine und mehr Anstrengung für 4:15min/km als am Samstag beim ganzen Strasshof 10er in höherem Tempo. Donnerstag die Erklärung dafür: die Nase beginnt unaufhörlich zu rinnen, Lymphknoten leicht geschwollen, ich fühle mich ordentlich krank. Dazu natürlich noch leichte Panik: bitte, warum gerade jetzt, mit der Form? Aber wenigstens kein Fieber. Mit einer ordentlichen Ladung an Vitamin C, Vitamin D und Zink wird der Spuk am Freitag schon etwas besser und Carola und ich reisen nachmittags nach Frankfurt.
Gleich nach der Ankunft und Einchecken im Motel One spazieren wir noch den halben Kilometer zur Messe und Startnummernabholung. Alles noch sehr ruhig und binnen kürzester Zeit ist das erledigt. Ein wenig noch schauen, ob es auf der Messe spezielle Schnäppchen gibt, aber so richtig Sensationelles ist nicht dabei bzw. bin ich derzeit mit Laufschuhen ohnehin auch ganz gut ausgestattet. Unter Berücksichtigung der Cost-of-Carry werde ich wohl eher via Online-Shops zu gegebenem Zeitpunkt für Nachschub sorgen.
Sicherheitshalber checke ich am Rückweg noch im angrenzenden Einkaufszentrum das Verpflegungsangebot für morgen Samstag und ernte an der Kassa eines Supermarkts ungläubiges Staunen als ich mich erkundige, wielange denn morgen geöffnet sei. "Na, wie immer bis 22h" ist die Antwort. Einkaufsparadies!
Betreuer sind bereit |
Am späten Nachmittag dann auch noch kurz zur Pasta-Party in die Festhalle und das war's dann auch schon mit dem Samstag.
Dank der Zeitumstellung schläft man in Frankfurt traditionell noch eine Extrastunde länger und mit 10h Start ist auch ausreichend Zeit für "normalzeitliches" Aufstehen, Frühstücken und langsam auf den Start vorbereiten. Mit dem Motel One nur ca. 500m vom Start entfernt sind's überhaupt ideale Voraussetzungen um zunächst aufzuwärmen, dann nochmals zurück ins Zimmer zu gehen und dann erst endgültig zum Start. Keine lästige Kleiderabgabe, kein Anstellen beim Dixie, alles sehr entspannt. Nachdem der Anfangskilometer in Frankfurt recht eng ist, begebe ich mich bereits um 8h45 in den Startblock und zwänge mich nach vorne durch. Ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden 2h59-Pacern ist dann kein Weiterkommen mehr, aber das sollte eigentlich perfekt passen. Nun ja, neben mir verzweifelt bereits ein Starter bei den Deutschen Meisterschaften, auf dessen Handgelenk ich ein Pace-Band entdecke, welches für die ersten 10km eine Zeit unter 40 Minuten angibt. Also der steht hier mit angepeilten 2h50 garantiert zu weit hinten. Weiß er selbst auch, aber eben keine Chance mehr, weiter nach vorne zu kommen. Hoffen wir mal, dass wenigstens alle vor ihm und um mich herum wenigstens die 2h59 anlaufen, dann sollte es nicht so schlimm für ihn sein. Allerdings gibt's neben mir auch schon Diskussionen von Läufern, dass sie mit 3h15 eh schon höchstzufrieden wären. Auweh, das wird mühsam am Anfang.
Der Start sehr unspektakulär. Aufgrund der Deutschen Meisterschaften und des dabei geltenden Reglements darf kein Countdown heruntergezählt werden. Entsprechend stimmungslos ist der Start. Das Feld setzt sich wie immer langsam in Bewegung, vor der Zeitnehmungsmatte ist aber dann sogar kurzzeitig Stillstand und danach geht es gerade mal im 5:00min/km-Schnitt los. Dann öffnen sich aber doch da und dort Löcher, welche gnadenlos von hinten zugesprintet werden von denen, die auch vorm Start zu weit hinten gelandet waren. Gleichzeitig werden immer mehr Langsamere (ca. 4h-Läufer) zur Barriere. Der erste Startblock wäre eigentlich für Läufer von 2h45 bis 3h15 gedacht, das war offenbar einigen wieder mal ziemlich egal. Brutto/Nettozeitvergleiche im Nachhinein zeigen mir übrigens, dass in meinem Bereich der sub3h-Aspiranten auch extrem viele 3h30-Läufer zeitgleich mit mir über die Startmatte gingen :-(
So vergeht der erste Kilometer im Ziehharmonika-Effekt: Vollgas mit klar unter 4:00min/km bis zur nächsten Barriere, wo man auf vielleicht dann 4:40min/km eingebremst wurde. Kein Vergleich zum Startkilometer in Münster – ich bin solche Massen-Events wie in Frankfurt offenbar nicht mehr gewöhnt. Letztlich lag der Kilometersplit dann mit 4:14 sogar unter meinem geplanten Start-Tempo von 4:18, aber mit erheblichem Mehraufwand. Am zweiten Kilometer dann etwas nachlassen, ist ja ohnehin zu flott. So wurden es 4:21min/km, also in Summe nun genau im Plan und weiter links/rechts durch die Innenstadt. Das Feld ist mittlerweile halbwegs entzerrt, die Hektik vom Start hat deutlich nachgelassen. Ab Kilometer 3 beginnt dann Richtung Messe ein leichter Anstieg. Eigentlich nicht der Rede wert, aber ich merke, wie ich zu meinen Vorderleuten an Boden verliere und so richtig locker fühlt sich das nicht gerade an. Aber gut, bald kommt die erste Labe bei Kilometer 5 mit meinem "Betreuer", der mir Iso reichen wird. Ich bin schon gespannt, wie das funktionieren wird.
Betreuer vorm Start |
Jetzt geht's schön bergab in Richtung Main und es kommt dann endlich der Streckenteil im Süden von Frankfurt, der mir die letzten Male immer am besten gefallen hat und wo hoffentlich auch wieder Stimmung herrschen würde. Denn bis jetzt war's eine ziemlich fade Angelegenheit. Kaum Zuschauer an der Strecke und wenn, dann sehr ruhige. Gut, auch kein Wunder bei Temperaturen um die 8° mit leichter Feuchtigkeit. Für uns Läufer ideal, am Streckenrand aber alle dick eingepackt.
Betreuer für km15 und km20 |
Der vordere 2h59er-Pacer ist bereits längere Zeit nach vorne entschwunden, nun überrollt mich auch die Gruppe um den hinteren 2h59er-Pacer. Ich habe keine Chance zuzulegen und mich anzuhängen. Naja, die Pacer sind eh immer zu schnell unterwegs, meine Stärke liegt auf der zweiten Hälfte, da werden wir uns wieder sehen. Rede ich mir ein. Wobei das Gefühl schon gar nicht mehr gut ist, aber einfach weiter, wird vielleicht noch. Und der Schnitt von 4:14min/km passt ja eh noch. Ist sogar etwas Luft zu den 3h.
Bei Kilometer 20 wieder kurzes Abklatschen/Schnappen meines "Betreuers" und in 1:29:30 war der Halbmarathon passiert. 30 Sekunden Vorsprung, also kann ich die zweite Hälfte auch eine Minute langsamer als die erste laufen und sub3 geht sich aus. Die Brücke, um auf die Nordseite des Mains zu kommen, absolviere ich im Windschatten zweier Iren und die Beine fühlen sich sogar wieder etwas besser an. Bei km25 der nächste meiner Betreuer und das erste vom Veranstalter angebotene Gel, da mir die Koordination mit dem eigenen Gel aus der Hosentasche etwas zu kompliziert ist. Und das Gel ist auch in Ordnung.
Dann geht's in Höchst die etwas deutlichere, kurze Steigung zum westlichsten Punkt der Strecke hinauf. Wieder ein etwas kraftloses Gefühl bergauf, aber weiter weiter. Schließlich hatte ich mir vorgenommen, nur dann langsamer zu werden, wenn ich eine klare Lösung für mein Problem habe (wie zB ordentlich Energie nachfüllen und dafür etwas Tempo rausnehmen). Allerdings wusste ich nicht wirklich, was mein Problem ist. Hunger hatte ich keinen, Flüssigkeitszufuhr dank meiner Betreuer auch sicherlich ausreichend, noch dazu wo es nicht wirklich warm war. Und wenn's doch die Verkühlung vom Donnerstag ist, kann ich jetzt auch nix machen.
Nun wird es wirklich zäh, eigentlich sollte jetzt ab km28 der Teil kommen, wo ich nochmals an Tempo zulege. Das Gegenteil ist der Fall, die Kilometer liegen nun eher bei 4:22min/km statt 4:15min/km, mit letzter Anstrengung erreiche ich Kilometer 30. Was tun? Jedenfalls ein Gel um einen Hungerast zu vermeiden, Cola um den Kreislauf anzukurbeln, ein paar Gehschritte zur Entlastung. Aber nichts davon hilft, ich bin einfach nur schwach. Aber trotzdem weiter. Schließlich weiß ich von den Trainingsläufen, dass auch die Trabpausen unter 5 Minuten/km sind, also allzuviel Zeit sollte ich nicht verlieren, solange ich mich nicht komplett aufgebe. So ist der nächste Kilometer dann in 4:42min/km absolviert – einigen anderen um mich herum geht's noch schlechter, sodass ich sogar Läufer überhole. Wesentlich mehr ziehen allerdings an mir vorbei. So war das nicht geplant. Probieren wir Harakiri-Taktik: Gas geben was geht, vielleicht kommt der Körper dadurch wieder in Schwung. 4:28min/km ist der nächste Kilometer. Zu langsam und kalt wird mir jetzt auch. Ich will nur mehr zurück in die Stadt und ins Hotel. 4:38 und nochmals 4:38 für die nächsten zwei Kilometer und bei km35 wartet mein letzter "Betreuer" auf mich.
letzter Betreuer |
Aber aufgeben? Ich bin zwar nicht flott, aber wenigstens möchte ich mir für mich das Prädikat erhalten, dass ich egal wie mies es mir geht, bis zum Schluss kämpfe und mich durchbeiße. Hat mir bei vielen Ultras ja auch schon einiges an Kilometern mehr gebracht. Ein Tief beim Marathon ist halt blöd, weil da gibt's kaum mehr Zeit es hinten hinaus zu kompensieren. Also vergessen wir das mal mit dem Hotel.
Außerdem steht dann auch Uschi, meine Betreuerin aus Irdning 2013, genau dort an der Strecke und feuert mich an. Da kann ich erst recht nicht meinen Lauf beenden. Und jetzt geht's in die Stadt hinein, da besteht Hoffnung, dass nun endlich Stimmung aufkommt. Weil bis jetzt war's nachwievor extrem ruhig an der Strecke.
Bei Kilometer 36 steht dann auch Carola an der Strecke. Auch bei ihr lief es heute wie schon in Münster so überhaupt nicht und sie hat früh die Segel gestrichen. Auch sie feuert mich an, ich sage ihr aber, dass das heute nix mehr wird und ich zwar ins Ziel laufen werde, aber mit Vorsicht ob der Verkühlung.
So komme ich dann zu km37, ein Spalier von Zuschauern entlang der Strecke und die lassen sich dann doch ein wenig zum Anfeuern bewegen. Na geht doch. Ich danke es ihnen mit einem Kilometer in 4:30min/km. Auf dem Weg zu km38 beginne ich zu rechnen. 4,2km sind es von dort noch. 4:30min/km laufe ich derzeit bestenfalls, also 4,5*4 = 18 Minuten + 1 Minute für 200m am Schluss ergibt 19 Minuten. Muss ich also in 2:44:30 bei km38 sein, damit ich noch eine Chance habe, meine Bestleistung von 3:03:31 knapp zu unterbieten.
Km38 kommt, ich passiere in 2:44:59. Mist, 29 Sekunden fehlen mir jetzt schon und der letzte Kilometer in 4:34min/km. Das geht sich nimma aus. Also nur mehr irgendwie weiter. km39 4:32, km40 4:32 und 2:54:03 durch. Hmmmmmm, 9:28 habe ich noch, jetzt noch ein bisschen andrücken, dann könnte es sich ausgehen. Irgendwo muss ich da vorher einen Rechenfehler gehabt haben (ja, für 200m brauche ich keine Minute beim Marathon-Tempo). Aber ich habe keine Power mehr. km41 in 4:37, Gas Gas Gas auf der Zielgerade, den einen Kilometer jetzt noch alles rausholen, das wird mir nicht schaden.
Prognose ... |
Rein ins Ziel, abstoppen. 3:03:37 zeigt meine Uhr (offiziell waren es dann 3:03:34). Mist, knapp an der Bestleistung vorbei. Auch wurscht, weil meine Erwartungen ohnehin mehr als enttäuscht wurden, aber ein kleiner Trost wäre es doch gewesen. Interessant übrigens die Prognose meiner Laufuhr ... die hat's seit Wochen fast auf die Sekunde vorhergesagt :-O.
Medaille - mag mich wer kaufen? |
Muskulär spüre ich am Nachmittag dann eigentlich fast nichts vom Marathon. Entweder bin ich 42km zu laufen einfach gewöhnt oder habe ich mich nicht richtig verausgabt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
Ab Mittwoch nach dem Marathon ging's dann übrigens mit dem Schnupfen wieder so richtig los und der zog sich dann auch 1,5 Wochen dahin.
Fazit: der Marathon und ich werden wohl keine best friends mehr in diesem Leben. Aber irgendwie hätte ich die sub3h doch ganz gerne in meiner Läufer-Vita. Aber mehr Spaß machen mir die Ultraläufe. Muss ich also nur am Ultra um sovieles besser werden, dass sich dann sub3h am Marathon eh von selbst ergibt :-). Aber immerhin bin ich mit nur 8 Wochen marathonspezifischem Training trotz leichter Schwächung ziemlich an meine Bestleistung herangekommen, für die ich zuletzt (immerhin auch zwei Jahre jünger) mehrere Monate sowie zwei Trainingslager investiert hatte. Jetzt könnte ich also eigentlich auf dieser Grundlage weiter machen und dann wird's im Frühling vielleicht klappen. Aber das werde ich nicht machen, sondern mich jetzt wieder auf den nächsten 24-Stundenlauf Ende April vorbereiten. Langsam baue ich eine richtiggehende Marathonphobie auf (wenn's um Marathon auf Zeit geht – die Distanz ist ja nicht das Problem, nur das geforderte Tempo). Und Spaß macht diese Hetzerei alleine gegen die Kilometer-Splits auch nicht.
Aber wer weiß. Jedenfalls gebracht hat mir das Marathontrainings-Intermezzo neben der neuen 6h-Bestleistung auch ein höheres Grundlagentempo bei gleichem Puls, welches statt 6:00min/km nun bei ca. 5:45min/km liegt, was wiederum auf Hinblick 24-Stundenlauf bessere Leistungen ermöglichen sollte. Und nachdem ich zeitlich bedingt sicherlich nicht mehr an Umfang trainieren kann als in der letzten 24-Stundenlauf-Vorbereitung, kann der Weg zum Erfolg nur über mehr Qualität gehen, d.h. Tempoeinheiten werden sicherlich weiterhin am Programm stehen und für meine Ultralaufziele müsste dann eigentlich auch eine Marathonzeit näher an den 3h Grundbedingung sein, womit sich dann vielleicht selbige wiederum auch bei einem drucklosen Trainingsmarathon realisieren lässt – wünscht sich halt der kleine Martin :-). Und nachdem mir ein Laufvereinskollege vorgezeigt hat, dass man mit 41 immer noch Marathon-Bestzeiten aufstellen kann, besteht ja für mich dann im Herbst 2017 immer noch eine ganz gute Chance es ihm gleich zu tun.